Luftfernrohr, Objektivlinse
Luftfernrohr, Objektivlinse
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Inventar Nr.:
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APK F 184 |
Bezeichnung:
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Luftfernrohr, Objektivlinse |
Künstler / Hersteller:
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Giuseppe Campani (1635 - 1715)
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Datierung:
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1684 |
Objektgruppe:
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Fernrohr (Optisches Instrument) |
Geogr. Bezug:
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Rom |
Material / Technik:
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Holz, Leder, Pergament, Papier, Glas |
Maße:
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Tubus 210 mm (Länge) ca. Objektivlinse 210 mm (Durchmesser) Tubus 222 mm max. (Durchmesser) 111,3 mm Lichte Weite Obj.-Linse (Durchmesser) Linse: ca. 5,6 mm (Indirekt ermittelt) (Dicke) Okular mit Deckel 162 mm (Länge) Okular max. ca. 86 mm Fassung (Durchmesser) Lichte Weite Okularlinse 50,5 mm (Durchmesser) 30 x 30 x 30 cm (Objektmaß) 3,7 kg (Gewicht)
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Beschriftungen:
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Signatur: Guiseppe Campani in Roma anno 1684 Palmi 145
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Katalogtext:
Die sogenannten Luftteleskope wurde Ende des 17. Jahrhunderts entwickelt, um ein möglichst scharfes Bild durch eine sehr lange Brennweite der Objektivlinse zu erhalten. Der Begriff Luftteleskop umschreibt den Verzicht auf einen physischen Tubus zwischen dem Objektiv und dem Auge des Betrachters, der wegen seiner Länge unhandlich und windempfindlich wäre.
Im Februar des Jahres 1700 besuchte Landgraf Carl von Hessen-Kassel (1654-1730) während seiner Italienreise die Werkstatt des berühmten Linsenschleifers Giuseppe Campani (1635 - 1715) in Rom. Obwohl das Luftfernrohr zu dieser Zeit bereits 16 Jahre alt war, dürfte dessen besondere Geschichte den Landgraf zum Kauf angeregt haben. Zuvor wurde es von Giovanni Domenico Cassini (1625–1712) für sein Beobachtungsprogramm an der Pariser Sternwarte der Académie Royale des Sciences geordert. Campani stellte gleich zwei Luftteleskope mit unterschiedlichen Brennweiten für Cassini her, jedoch war König Ludwig XIV. anscheinend nicht gewillt, beide zu bezahlen, und das Kleinere wurde letztendlich zurückgesandt. Diese Geschichte hat Campani dem Landgraf vermutlich erzählt, vor allem aber dürfte ihn interessiert haben, dass Cassini mit diesem Teleskop zwei Saturnmonde entdeckt hatte, nämlich Dione und Thetys. Damit ist es eines der wenigen erhaltenen Teleskope des 17. Jahrhunderts, mit dem nachweislich eine bedeutende astronomische Entdeckung gemacht wurde.
Mit 32,3 Metern (145 römische Palmi) hat das Luftteleskop von Campani die größte Brennweite der Teleskope Landgraf Carls. Ein römischer Palmus entspricht ca. 223 Millimeter, womit sich bei 145 Palmi die Brennweite von 32,3 Metern ergibt.
Der zylindrische Tubus der Objektivlinse besteht aus flächig miteinander verklebtem Papier, an dessen einem Ende außen ein Ring aufgeklebt wurde. Dieser diente vermutlich als Anschlagring in einer schwenkbaren Montierung, die wiederum an einem Mast hochgezogen werden konnte. Im Tubus ist ein zylindrisches, längs geteiltes, mit einem Eisenring verstärktes Klemmstück aus Pappe eingebracht, welches die Linse und die Blendenringe in Position hält. Marmoriertes Papier bildet die Außenseite, während innen schwarze Pigmente Streulicht absorbieren. Im Laufe der Zeit schrumpfte der Tubus, weshalb der Linsenkörper verklemmt und durch den Druck verbogen wurde (Bild 8: Der verbogenen Linsenkörper im Durchlicht. Die beiden dunklen Bereiche wären bei einer idealen Linsenform gerade und parallel).
Beidseitig auf die Linse geklebte Blendenringe aus rot gefärbter Pappe lassen eine freie Öffnung von 179 Millimeter zu. Vier wechselbare Blendenringe aus Pappe mit den freien Öffnungen von 111, 125, 141 und 165 Millimetern sind hinter der Linse angeordnet. Die Signatur „Guiseppe Campani in Roma anno 1684 Palmi 145“ ist am Rand der Linse eingeritzt.
Der kleine Tubus für die Okularlinse mit Augenmuschel (Bild 4) gehört möglicherweise zum Luftfernrohr. Das Gewinde des Schraubdeckels hat dieselbe Steigung wie das am Fernrohr F 343, welches eine Signatur Campanis auf der Objektivlinse hat. Der Tubus wurde aufgrund der Ähnlichkeit der Herstellungsmerkmale und der Formensprache sehr wahrscheinlich von Campani oder seinen Zulieferern hergestellt. Er könnte jedoch auch von einem anderen, heute nicht mehr vorhandenen Fernrohr Campanis stammen.
Ein mit schwarzem Leder bezogener Behälter aus Buchenholz ist noch vorhanden und schützt die Linse vor Beschädigungen (Bild 5).
Der Enkel Landgraf Carls, Landgraf Friedrich II. (1720 - 1785) befahl im Jahr 1777 dem Professor Matsko (1721 - 1796) das Luftfernrohr nutzbar einzurichten. Obwohl dies bis 1783 immer wieder versucht wurde, konnte keine befriedigende Abbildungsleistung erreicht werden. Wie ein Eintrag im Inventar des Modellsaals aus dem Jahr 1798 bezeugt, fertigte man 14 leicht konische, etwa 2,5 Meter lange Blechröhren an. Ineinander gesteckt bildeten diese einen 32 Meter langen und recht unhandlichen Tubus, der wiederum mittels eines dafür gebauten, hohen Masts auf den Himmel ausgerichtet werden konnte. Diese Vorgehensweise widersprach jedoch dem oben schon beschriebenen Prinzip des Luftfernrohrs.
Im Jahr 2007 ergab eine Untersuchung auf der optischen Teststrecke der Universität Tübingen den Nachweis der vom schrumpfenden Tubus verursachten Verbiegung des Linsenkörpers (Bild 6: Typische, dreieckige Abbildung eines Lichtpunktes bei verbogenen Linsen). Möglicherweise war der Fehler bereits 1777 vorhanden, weswegen schon damals die Abbildungsleistung nicht befriedigen konnte (Bild 7: Foto eines künstlichen Doppelsterns mit einem Abstand von vier Bogensekunden).
(B. Schirmeier, 2018 + F. Trier, 2024)
Weitere Materialien zum Download:
Literatur:
- Trier, Friedrich H. und Gaulke, Karsten: Das Luftfernrohr von Giuseppe Campani im Astronomisch-Physikalischen Kabinett der Museumslandschaft Hessen Kassel.
- Bungarten, Gisela [Hrsg.]: Groß gedacht! Groß gemacht? Landgraf Carl in Hessen und Europa. Ausstellungskatalog. Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel. Petersberg 2018, S. 566, Abbildung S. 566, Kat.Nr. X.199.
Siehe auch:
- APK F 365: Camera Obscura
Letzte Aktualisierung: 18.06.2025