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Brettspielkasten



Brettspielkasten


Inventar Nr.: KP B VI/I.217
Bezeichnung: Brettspielkasten
Künstler / Hersteller: Georg Schreiber (nachgewiesen 1617-1643), Vermutet
Datierung: Anfang 17. Jh.
Objektgruppe: Spiel
Geogr. Bezug: Königsberg (?)
Material / Technik: Opaker und transparenter Bernstein, Eglomisé, Elfenbein, Knochen, Marienglas, Silber, vergoldet, Holzkern
Maße: 8 x 35,6 x 35,6 cm (Objektmaß)
Beschriftungen: "Zu Gott Allein / Die Hoffnung Mein"
"Christus ist mein Leben / Dem ist mein Gewinn"
"Kom Glück / Erfreu Hoffnung"
"An Gottes Segen / Ist Alles Gelegen"


Katalogtext:
Der Brettspielkasten bestehend aus einem Mühle-, einem Dame- und einem Tric-Trac-Spielfeld lässt sich seit Ende des 18. Jahrunderts im Kasseler Sammlungebestand nachweisen. Der Eintrag im Inventar des Museums Fridericianum ist allerdings sehr allgemein gehalten: "Ein Damenbret mit Elfenbein eingelegt. [Zusatz in anderer Schrift:] Auf der Seite, wo die Mühle ist, sehr schadhaft." Bis auf die fehlenden Beschläge auf der Mühleseite lassen sich diese Schäden heute nicht mehr nachvollziehen.
Das Spielbrett ist mit vier Inschriften auf der Mühleseite sowie mit floralen, ornamentalen und figürlichen Darstellungen in Eglomisétechnik und Elfenbeinschnitzarbeit verziert. Die Bildabfolge beginnt auf dem breiten Rand der Dame-, bzw. Schachseite mit den Personifikationen von acht der zwölf Monate (Januar bis August), die die monatstypischen Tätigkeiten verrichten. Die "schwarzen" Felder des Spielfelds tragen Darstellungen von Landsknechten in Eglomisé. Auf der Mühleseite wird die Monatsfolge von September bis Dezember fortgesetzt. Vier weitere Felder zeigen Personifikationen von vier der fünf Sinne: Geschmackssinn (GVSTVS), Gesichtssinn (VISVS), Geruchssinn (ODORTVS) und Gehör (AVDITVS). Die Mitte ziert eine Darstellung des Marcus Curtius. Auf vier Seiten befinden sich Inschriften, wobei "Kom Glück / Erfreu Hoffnung" in abweichender Schrift umgesetzt wurde.
Das Tric-Trac-Spielfeld ist auf der Umrandung mit antikisierenden Köpfen in Reliefschnitzerei und schreitenden Soldaten in Eglomisé verziert. In den Ecken befinden sich Personifikationen der Jahreszeiten (linke Spielseite) und der vier Elemente (rechte Spielseite). Ein breites Band in der Mitte des Spielfelds trägt sechs weitere Reliefs mit den Darstellungen: "Phaethon bittet seinen Vater Apoll um den Sonnenwagen", "Der Wunsch des Midas", "Phaethons Fahrt mit dem Sonnenwagen" (linke Seite) und "Der Absturz Phaethons", "Midas als Richter im Wettstreit zwischen Apoll und Pan" und "Die Trauer der Heliaden". Die Darstellungen folgen den Ovid-Illustrationen von Virgil Solis (Ovid Metamorphosen, II, 1581).
Mit Ausnahme der sechs Szenen auf dem Tric-Trac-Spielfeld ist das Bildprogramm (Jahreszeiten, Monate, Sinne und Elemente) eher allgemein gehalten. Die vier Szenen mit Darstellung der Phaethon-Geschichte jedoch bergen eine moralische Botschaft und spielen auf das verwendete Material Bernstein an. Nach gängiger Vorstellung wurden die Tränen (das Harz) der zu Bäumen verwandelten Heliaden, der Schwestern des Phaethon, zu Bernstein. Die deutschsprachige Ovid-Ausgabe von 1581, deren Illustriationen im Spielbrett rezipiert wurden, bietet zudem eine moralisierende Auslegung der Phaethon-Geschichte an. "Der Welt verbrendung soll verstanden werden ein groß Pestilentz, demnach so die Pestilentz nichts ist dann eytel Hitz, schonet keinem König noch Fürsten, keinen hohen Bergen, noch ungestümen Wasserstramen. [...] Weiter wil die Fabel, daß offt durch schult der Herrschafft ein gantze Gemein gestrafft wirt, Exempel dieses findestu im Saul/David/ unnd allen andern Königen, umb welcher ubertretung offt ein ganze Gemein ist gestrafft worden." (Ovid 1581, fol. 23v).
Die hier vorgeschlagene Zuschreibung an Georg Schreiber oder dessen Werkstatt muss vorerst hypothetisch bleiben. Sie basiert auf dem Vergleich zu dem signierten und 1616 datierten Brettspielkasten, der am 12. April 1990 als Los 199 bei Sotheby's London versteigert wurde (Abb. bei Laue 2006, S. 13). Auch dort zieren Soldatendarstellungen in Eglomisé die schwarzen Felder des Dame-Spiels, und die Beschläge gleichen denjenigen des Kasseler Brettspielkastens. Ebenfalls dem Umkreis von Georg Schreiber zugeordnet ist ein Brettspielkasten mit figürlichen Darstellungen in Eglomisé und mit Ovid-Szenen nach Virgil Solis (Ausgabe 1581) im Metropolitan Museum of Art in New York, Acc. Nr. 48.174.41. (https://www.metmuseum.org/art/collection/search/199925).
(9.2.2024, Antje Scherner)



Literatur:
  • Ovidius Naso, Publius: P. Ovidii Metamorphosis, oder: Wunderbarliche unnd setsame Beschreibung von der Menschen, Thiern, und anderer Creaturen veränderung [...]. Franckfort am Mayn 1581, S. 17-22.
  • Moritz der Gelehrte. Ein Renaissancefürst in Europa [Begleitpublikation aus Anlass der Ausstellung in Lemgo, Weserrenaissance-Museum Schloß Brake, 19. Oktober 1997 - 1. Februar 1998, Kassel, Staatliche Museen Kassel, Orangerie, 6. März 1998 - 31. Mai. Eurasburg 1997, S. 222 f., Kat.Nr. 257.
  • Laue, Georg: Bernsteinarbeiten aus Königsberg für die Kunstkammern Europas: Der Meister Georg Schreiber und seine Werkstatt. In: Bernstein. Kostbarkeiten europäischer Kunstkammern (2006), S. 10-19, S. 18.


Letzte Aktualisierung: 09.02.2024



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