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Deckelpokal "Darmstädter Becher"



Deckelpokal "Darmstädter Becher"


Inventar Nr.: KP B II.16
Bezeichnung: Deckelpokal "Darmstädter Becher"
Künstler / Hersteller: Paul Birckenholz (1561 - 1634)
Datierung: 1627
Objektgruppe: Gefäß
Geogr. Bezug: Frankfurt am Main
Material / Technik: Silber, gegossen, getrieben, graviert, gelötet, vergoldet
Maße: mit Deckel 43 cm (Höhe)
ohne Deckel 30,8 cm (Höhe)
Fuß 13,5 cm (Durchmesser)
1911 g (Gewicht)
Beschriftungen: BZ: Doppeladler im Hochoval für Frankfurt a.M. (R³ 2001)
MZ: Rettich und Birkenholz für Paul Birckenholtz (R³ 2031; Scheffler 1976, S. 143, Nr. 115)
Beide Marken befinden sich am Lippenrand des Pokals.


Katalogtext:
Der „Darmstädter Becher“ besitzt eine hohe, mit einem Deckel verschlossene becherartige Kuppa, die auf einen kurzen Schaft montiert ist. Drei dünne Bänder untergliedern ihre Wandung in vier Register, auf die vergoldete Appliken mit dem hessischen Wappen, Löwen, Füllhörnern, Trophäen und vor allem Bildnismedaillons der hessischen Landgrafen genietet sind. In der Art einer genealogischen Tafel spiegelt das Bildprogramm die dynastische Geschichte der Landgrafschaft Hessen wider: Landgraf Philipp im obersten Register hatte in seinem Testament die Teilung des Landes unter seinen vier Söhnen verfügt (zweites Register). 1567 waren so vier hessische Linien entstanden, von denen 1627, im Entstehungsjahr des Pokals, noch Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt verblieben waren (drittes und viertes Register). Die damals regierenden Landgrafen, Wilhelm V. von Hessen-Kassel und Georg II. von Hessen-Darmstadt, sind ganz unten zu sehen. Ein von zwei Händen gehaltenes Herz am Schaft des Pokals und der heraldische Löwe auf dem Deckel unterstreichen die enge Verbundenheit beider Territorien des Hauses Hessen.
Das Verhältnis der Bruderlinien war allerdings weniger harmonisch als das Bildprogramm des Pokals vermuten lässt. Seit dem Übertritt Landgraf Moritzʼ von Hessen-Kassel zur reformierten Kirche (Calvinismus) im Jahr 1605 war ein Erbstreit zwischen Kassel und Darmstadt entbrannt, der zunächst die Gerichte beschäftigte, in den ersten Jahren des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) aber zu einem militärischen Konflikt eskalierte. Vermittelt durch Philipp von Butzbach (1581–1643), dessen großes Medaillon unter demjenigen von Philipp dem Großmütigen prangt, kam 1627 eine kurzzeitige Einigung der verfeindeten Großcousins zustande, die sich in einem Einigungsvertrag, dem sog. „Hauptakkord“, niederschlug. So gab Landgraf Georg II. von Hessen-Darmstadt den Pokal zwar aus Anlass des 100-jährigen Jubiläums der Universität Marburg in Auftrag, doch bestimmt die Versöhnung beider hessischer Linien dessen Bildprogramm. Die Umschrift des Butzbach-Medaillons stellt diese Botschaft explizit heraus: „DEO BENEDICENTE CAESARE SVADENTE PRINCIPE HOC MEDIANTE VNIVERSA PATRIA GAVDENTE REVNITAE LINEAE DOMVS NOSTRAE“ („Unter dem Segen Gottes, , demRat des Kaisers, vermittelt durch diesen Fürsten und zur Freude des ganzen Vaterlandes wurden die Linien unseres Hauses wieder vereint“).
Das hier beschworene Einvernehmen sollte allerdings nur von kurzer Dauer sein. Dazu trug auch die Zugehörigkeit der Darmstädter und Kasseler Landgrafen zu gegnerischen Lagern im Dreißigjährigen Krieg bei [...]."
(Zit. nach Antje Scherner in: Kat. Kassel 2016)



Literatur:
  • Schütte, Rudolf-Alexander: Die Silberkammer der Landgrafen von Hessen-Kassel. Bestandskatalog der Goldschmiedearbeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel / Wolfratshausen 2003, S. 25, 30, 210-213, Kat.Nr. 47.
  • Wunderwerk. Göttliche Ordnung und vermessene Welt. Der Goldschmied und Kupferstecher Anonius Eisenhoit und die Hofkunst um 1600. Ausstellungskatalog. Hrsg. Von Christoph Stiegemann. Erzbischöfliches Diözesanmuseum Paderborn. Paderborn 2003, S. 232-232, Kat.Nr. 59.
  • Scherner, Antje [Bearb.]; Cossalter-Dallmann Stefanie [Bearb.]: Aus der Schatzkammer der Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Petersberg 2016, S. 78, Kat.Nr. 30.


Letzte Aktualisierung: 15.08.2022



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