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Acht Satzbecher "Sickingen-Becher"



Acht Satzbecher "Sickingen-Becher"


Inventar Nr.: KP B II.18
Bezeichnung: Acht Satzbecher "Sickingen-Becher"
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung: 1519
Objektgruppe: Gefäß
Geogr. Bezug: Speyer
Material / Technik: Silber getrieben, gegossen, graviert, teilvergoldet
Maße: gesamt 2326,1 g (Gewicht)
Grundbecher (1) 6- 6,4 cm (Höhe)
Grundbecher Lippe 9,1 cm (Durchmesser)
Grundbecher Fuß 7,4 cm (Durchmesser)
Grundbecher 286 g (Gewicht)
Becher (2) 6- 6,1 cm (Höhe)
Becher (2) Lippe 9 cm (Durchmesser)
Becher (2) Fuß 7,4 cm (Durchmesser)
Becher (2) 255,5 g (Gewicht)
Becher (3) 6,3 cm (Höhe)
Becher (3) Lippe 9 9,1 cm (Durchmesser)
Becher (3) Fuß 7,5 cm (Durchmesser)
Becher (3) 268,6 g (Gewicht)
Becher (4) 6,2 cm (Höhe)
Becher (4) Lippe 9 9,2 cm (Durchmesser)
Becher (4) Fuß 7,5 cm (Durchmesser)
Becher (4) 267,8 g (Gewicht)
Becher (5) 6,2 cm (Höhe)
Becher (5) Lippe 9- 9,1 cm (Durchmesser)
Becher (5) Fuß 7,5 cm (Durchmesser)
Becher (5) 264,2 g (Gewicht)
Becher (6) 6,2- 6,3 cm (Höhe)
Becher (6) Lippe 9,1 cm (Durchmesser)
Becher (6) Fuß 7,5 cm (Durchmesser)
Becher (6) 265,2 g (Gewicht)
Becher (7) 6,1- 6,3 cm (Höhe)
Becher (7) Lippe8,9- 9,2 cm (Durchmesser)
Becher (7) Fuß 7,5 cm (Durchmesser)
Becher (7) 269,4 g (Gewicht)
Becher (8) 6- 6,2 cm (Höhe)
Becher (8) Lippe 9 cm (Durchmesser)
Becher (8) Fuß 7,5 cm (Durchmesser)
Becher (8) 261,2 g (Gewicht)
Deckel gesamt 4,8 cm (Höhe)
Deckel sichtbar 4,3 cm (Höhe)
Deckel:Stiel/Knauf 3,6 cm (Höhe)
Deckel 9,9 cm (Durchmesser)
Knauf 3,6 cm (Durchmesser)
Deckel 188,9 g (Gewicht)
Beschriftungen: BZ: Doppelturmfassade und Kuppel für Speyer. BZ und Tremolierstrich befinden sich jeweils auf der Unterseite der Gefäßböden. Der Grundbecher weist hier zusätzlich eine Markierung aus drei kurzen, parallel gravierten Stichelkerben auf. Der Deckel ist nicht gemarkt.
Grundbecher (1): *EX * MILITIA * PARTIS * FRANCISCVS * DE * SICKINGEN * ME * FIERI * FECIT * 1519
Becher (2): * CONSILIO * DVO * MAXIME * CONTRARIA * SVNT * FESTINACIO * ET * IRA
Becher (3): * GLADIVM * ACTVM * AVERTAS * TV * TE * CONSVLE
Becher (4): * IN * EXTREMO * MALO * AVDENDVM * ATqVE * NON * CONSVLTANDVM [sic] * EST
Becher (5): * MORS * FOEDA * IN * FVGA * IN * VICTORIA * GLORIOSA
Becher (6): * ACTVM * ANVLVM * NE * GESTATO * IGNEM * GLADIO * NE * FODITO
Becher (7): * CONSILIVM * SALVTARE * NON * SPETIOSVM * SVADENDVM * EST
Becher (8): *AD * FINEM * VBI * PERVENERIS * NE * VELIS * REVERTI


Katalogtext:
Die acht Satzbecher stammen aus dem Besitz des Reichsritters Franz von Sickingen (1581-1523). Als Trinkgeschirr aus acht stapelbaren Einzelbechern, einer Sonderform frühneuzeitlicher Trinkbecher (Häufebecher), und als frühestes, in seltener Vollständigkeit erhaltenes Beispiel, sind sie von herausragender kulturgeschichtlicher Bedeutung. Kaum weniger wichtig ist der historische Kontext, handelt es sich beim "Sickingen-Becher" doch um zweifache Kriegsbeute: 1519 soll Sickingen die Gefäße nach einem Sieg des Schwäbischen Bundes über Herzog Ulrich von Württemberg (reg. 1498-1519 und 1534-1550) aus Beutesilber gefertigt haben. Darauf deutet die Inschrift am ersten Becher hin: "EX MILITIA PARTIS FRANCISCUS DE SICKINGEN ME FIERI FECIT 1519" (Aus dem, was im Kriegsdienst erbeutet, hat mich 1519 Franz von Sickingen machen lassen). Sickingen, der wie Götz von Berlichingen zur Symbolfigur im Kampf des reichsunmittelbaren ritterschaftlichen Adels gegen die wachsende Fürstenmacht wurde, hatte zuvor in zahlreichen Fehden gekämpft. Einen dieser Kriegszüge führte er 1518 gegen die Landgrafschaft Hessen, mit Gründen allerdings, die schon Zeitgenossen als Vorwand galten. Sickingen nahm Gebiete um Darmstadt ein, erpresste 4000 Gulden von der freien Reichsstadt Frankfurt und eroberte ehemalige Ländereien seiner Familie zurück. Der damals 13 1/2 jährige Landgraf Philipp sowie Anna von Mecklenburg, seine Mutter und Vormünderin, entzogen sich einer gewaltigen Kontributionsforderung durch Flucht. Philipp sollte diese Demütigung nicht vergessen. Nach einem Angriff Sickingens auf Trier schloss er sich einem Bündnis der Kurfürsten von Trier und der Pfalz gegen Sickingen an. 1523 wurde Sickingen beim Beschuss seiner Feste Nanstein über Landstuhl tödlich verwundet. Sein Silberschatz fiel in die Hände der Sieger, der Satzbecher wurde Philipp dem Großmütigen als Kriegsbeute zugesprochen.

Die Inschriften der Becher lauten:

EX MILITIA PARTIS FRANCISCVS DE SICKINGEN ME FIERI FECIT 1519
(Aus dem, was im Kriegsdienst erbeutet, hat mich 1519 Franz von Sickingen machen lassen)

CONSILIO DVO MAXIME CONTRARIA SVNT FESTINACIO ET IRA
(Zwei Dinge sind einem Ratschlag am meisten abträglich: Ungeduld und Zorn)

GLADIVM ACVTVM AVERTAS TV TE CONSVLE
(Ein scharfes, gezücktes Schwert wehrst du nur ab, wenn du dein eigener Ratgeber bist)

IN EXTREMO MALO AVDENDVM ATqVE AGENDVM NON CONSVLTANTANDVM (sic!) EST
(In der äußersten Not muß man kühn sein und handeln, nicht beratschlagen)

MORS FOEDA IN FVGA IN VICTORIA GLORIOSA
(Schmählich ist der Tod auf der Flucht, ruhmvoll beim Siege)

ARCTVM ANVLVM NE GESTATO IGNEM GLADIO NE FODITO
(Einen zu engen Ring sollst Du nicht tragen und das Feuer nicht mit dem Schwert bekämpfen)

CONSILIVM SALVTARE NON SPETIOSVM SVADENDVM EST
(Ein nutzbringender, kein schönfärbender Rat soll gegeben werden)

AD FINEM VBI PERVENERIS NE VELIS REVERTI
(So bald du an ein Ziel gelangt bist, wolle nicht wieder umkehren)

(10/2016, Antje Scherner)



Literatur:
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  • Lenz, August: Catalog der Sammlungen des kurfürstlichen Museums zu Kassel für den Gebrauch beim Besuche desselben. Kassel 1866, S. 9, Kat.Nr. 18.
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Letzte Aktualisierung: 23.05.2024



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