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Jüngling



Jüngling


Inventar Nr.: Sk 106
Bezeichnung: Jüngling
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung:
Datierung:6. Jh. v. Chr., kyprisch - archaisch (GND: 4079596-2 / 4002833-1)
weitere Datierung:um 500 v. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Zypern
Material / Technik: Hellgrau-weißlicher Kalkstein
Maße: insgesamt 38,5 cm (Höhe)
max. 35 cm (Breite)
Kinn bis Stirnhaar 22 cm (Höhe)
Gesicht in Höhe der Ohren 15 cm (Breite)
Provenienz:erworben 1941 bei Takara No Yama, Paris


Katalogtext:
Der Kolossalkopf wirkt durch den Gegensatz zwischen Gesicht und Frisur befremdlich. Das schlanke gleichförmige Gesichtsoval ist geglättet und hebt sich von der wuchtigen perückenartigen Frisur durch eine scharf gezogene Grenze ab. Die mandelförmigen eng stehenden Augen senken sich nach außen. Die gewölbten Augäpfel sind von scharfrandigen Lidern in flachen Orbitalen in typisch kyprischer Manier umschlossen. In der eingesenkten Partie zwischen hohen Wangen und kleinem Kinn steht der schmallippige Mund mit herabgezogenen Mundwinkeln vor. Die schmale modellierte Gesichtsfront geht abrupt in breite flache Gesichtsflanken über bis zu den Ohren vor der Frisur. Der Hals verbreitert sich unorganisch kegelförmig zwischen der Perückenfrisur. Das Stirnhaar war vielleicht in welligen Strähnen von der Mitte zu den Ohren gelegt. Darüber liegt ein Kranz gegenständiger Blätter (Efeu?). Nur das Stirnhaar, der Blattkranz bis über die Ohren und je vier Stränge aus Buckellocken unterhalb der Ohren sind in Flachrelief modelliert. Am Hinterkopf sind die Perückenfrisur durch vertikale Furchen und der Blattkranz durch Konturen nur graviert, die Kalotte blieb glatt. Die Verknotung des Blattkranzes mit seinen nach hinten gerichteten Blättern ist vorn zu erahnen und am Hinterkopf nicht zu erkennen (Fehlstelle oder unfertig?). Der Efeukranz wird allgemein mit dem Dionysoskult in Verbindung gebracht; ihn können Gläubige, Priester und der Gott selbst tragen.

Der Kontrast zwischen der ausgearbeiteten Vorderseite mit dem geglätteten scharf geschnittenen Gesicht sowie den – wenn auch stark bestoßenen – reliefierten Partien der Frisur und den summarisch angelegten Nebenseiten mit nur schematisch skizzierten Ohren und der weiter vernachlässigten Rückseite ist wahrscheinlich eher durch unterschiedliche Zustände antiker Bearbeitung als durch Korrosion zu erklären. Gegen eine einschneidende neuzeitliche Überarbeitung der Vorderseite spricht die rundum gleichmäßige Patinierung der Oberfläche. Die befremdliche Gesamtform von Schädel, Hals und Frisur könnte einem provinziellen kyprischen Werk jener archaischen Periode zuzuschreiben sein, die sich in Anlehnung an nahöstliche, ägyptische und griechische Skulpturen an Kolossalformate wagte.

Der schmallippige vorgeschobene Mund ist sowohl von kyprischen Köpfen (Karageorghis 1963), wie von östlichen dädalischen Köpfen bis hin zu frühgriechischen Kouroi bekannt (Boardmann 1981). Auch der ›verkniffene‹ Mund mit hängenden Mundwinkeln ist bei frühen dädalischen Figuren und einigen in dieser Tradition stehenden hocharchaischen Skulpturen aus dem böotischen Ptoion geläufig. Die perükkenhafte dädalische Frisur, den Efeukranz, die Ohrform und die lediglich vertikal gravierte Rückseite teilt unser Kopf weitgehend mit dem bärtigen unkonventionellen Kopenhagener Kolossalkopf I.N. 2642 (Nielsen 1992), dessen Kalottenfrisur mit Efeukranz wie ein Polos geformt ist. Es kann daher nur eine Arbeitshypothese sein, in unserem ebenfalls ikonographisch außergewöhnlichen Kolossalkopf einen archaischen kyprischen Kouros in eigenständiger provinzieller Adaption zu vermuten.

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 375, Kat.Nr. 129.
  • Lange, Justus: "... denn der Ausverkauf ist bereits weit fortgeschritten..." Die vergessenen Erwerbungen der Staatlichen Kunstsammlung Kassel in Paris 1941/1942 (Kataloge der Museumslandschaft Hessen Kassel, Bd. 69). Kassel 2020, Kat.Nr. 15.


Letzte Aktualisierung: 15.04.2024



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