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Porträt eines Mannes



Porträt eines Mannes


Inventar Nr.: Sk 104
Bezeichnung: Porträt eines Mannes
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung: um 40 v. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Römisches Reich
Material / Technik: Weißer, feinkristalliner Marmor
Maße: 38,5 cm (Höhe)
Provenienz:erworben 1928 im Kunsthandel Leo Hamburger, Frankfurt am Main


Katalogtext:
Der Kopf eines älteren Mannes mit relativ langem Hals war zum Einsetzen in eine Statue hergerichtet. Die vortretenden Halsmuskeln und die Asymmetrien in dem länglichen Gesicht zeigen, dass er sich leicht nach rechts neigte. Die Stirn des Mannes ist breit, sein Unterkiefer schwer. Die Knochen der leicht eingefallenen Wangen treten deutlich hervor. Kräftige Brauenbögen verschatten die großen Augen mit den relativ breiten Lidern. An den äußeren Augenwinkeln zeigten sich Krähenfüße. Tiefe Nasolabialfalten verlaufen von der Nase zu dem breiten schmallippigen Mund.

Die Frisur zu beiden Seiten der Stirnglatze besteht aus langen, dicken, sichelförmigen Locken. Sie sind leicht ungeordnet und räumlich geschichtet. Im Bereich der Ohren sind sie durch Kerben unterteilt, ihre plastische Differenzierung nimmt aber zum stark abgeplatteten Hinterkopf hin kontinuierlich ab. Dort sind die Locken äußerst flach und weisen keine Binnengliederung auf. Über die ursprüngliche Haargestaltung auf dem hochgewölbten Oberkopf lassen sich auch mit Hilfe der Vorkriegsaufnahmen keine Angaben machen. Sie zeigen jedoch, dass der Schädel zum Hinterkopf anstieg.

Am Hals trennt ein leicht erhabener, abgerundeter Steg die geglättete Oberfläche der Vorderseite von den seitlichen und rückwärtigen Bereichen, die waagerecht angeordnete Meißelschläge aufweisen. Auch am unteren Halsansatz hebt der Steg die bearbeitete Oberfläche von der rückwärtig anstehenden Steinmasse ab. Während sich der Hals links etwas stärker rundet und die grob gepickte Partie schräg zur Rückseite verläuft, beginnt sie rechts weiter vorne, knickt abrupt um und setzt sich gerade nach hinten fort. Auf der Rückseite des Halses weisen die Meißelspuren im unteren Bereich größere vertikale Abstände auf, zum Genick hin sind sie dagegen enger gesetzt. Dort sind die Spitzen der untersten Lockenreihe so abgearbeitet, dass sie schräg nach links ansteigen. Unterhalb des rechten Ohres schneidet ein eingemeißelter Kanal rückwärts nach oben in die Locken ein. Links sind entsprechende Spuren nur äußerst schwach zu erkennen.

Die Werkspuren im Halsbereich deuten darauf hin, dass der Einsatzkopf sekundär umgearbeitet wurde, um ihn in eine Togastatue mit verhülltem Hinterhaupt (capite velato) einzupassen (Megow 1987). Das Tuch setzte rechts unterhalb des Ohres offenbar direkt am Hals an. Der Steg zwischen roher und geglätteter Halsfläche ist ebenfalls Teil der Umarbeitung. Die im Vergleich zum unteren Halsbereich stärkere Abarbeitung im Genick diente möglicherweise einer besseren Verankerung des Einsatzkopfes. Der dort schräg verlaufende Anschnitt der Locken ist durch die Kopfwendung bedingt. Im Zuge der Umarbeitung wurde die Steinmasse am Hinterkopf wohl soweit abgetragen, dass die plastische Substanz der Locken völlig verschwunden ist. Ihre ungewöhnlich flache Form und der stark abgeplattete Hinterkopf wären also ebenfalls sekundär. Der Befund liefert keine Hinweise darauf, wann die Umarbeitung vorgenommen wurde. Auch ihre Hintergründe entziehen sich unserer Kenntnis. Soweit es der heutige Zustand und die Vorkriegsaufnahmen des Kopfes erkennen lassen, war das Gesicht nicht von der Umarbeitung betroffen.

Der Kopf wurde verschiedentlich als Porträt Julius Caesars gedeutet, das dem Typus Tusculum-Turin zuzuweisen sei (Schweitzer 1948, Megow 1987). In den Konturen und der plastischen Bildung des Untergesichtes sowie in der Nasen- und Mundpartie weist der Kopf tatsächlich starke Übereinstimmungen mit dem genannten Typus auf. Dagegen weichen der hochgewölbte Oberkopf und besonders die Haargestaltung deutlich von der Caesar-Ikonographie ab. Die langen, nach vorne gekämmten Strähnen, mit denen der Diktator seine Geheimratsecken kaschierte, fehlen ebenso wie die typischen, S-förmig nach vorne geschwungenen Locken vor den Ohren. Folglich handelt es sich um das Bildnis eines uns unbekannten älteren Mannes, das sich aber wohl bewußt an die Ikonographie Caesars anlehnt. Entgegen anderslautenden Überlegungen (Megow 1987) sind bislang keine Repliken bekannt (Hofter 1989).

Der Typus Tusculum-Turin wurde kurz vor oder bald nach dem Tod Caesars 44 v. Chr. geschaffen (Johansen 1987). Daraus ergibt sich ein Anhaltspunkt für die Datierung unseres Kopfes. Seine knappe, feste Gesichtsmodellierung und die räumliche Schichtung seiner plastischen, leicht ungeordneten Locken weisen ebenfalls in die Zeit der späten Republik. Eine Datierung in die Jahre um 40 v. Chr. (Schweitzer 1948) ist daher äußerst wahrscheinlich. Der ernste, sorgenvoll-melancholische Ausdruck des Gesichtes und sein kontrolliertes Pathos sind typisch für die spätrepublikanische Porträtplastik. Mit der Anlehnung an das Bildnis Caesars gibt sich der Unbekannte möglicherweise als dessen Anhänger zu erkennen. Mit der Wiedergabe capite velato verweist das Bildnis in seiner umgearbeiteten Form auf die Pietas (Frömmigkeit) des Dargestellten.

(Zimmermann-Elseify 2007)



Literatur:
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 221-223, Kat.Nr. 70.


Letzte Aktualisierung: 14.09.2022



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