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Kopf eines Apollon Lykeios / Ausruhender Apollon



Kopf eines Apollon Lykeios / Ausruhender Apollon


Inventar Nr.: Sk 102
Bezeichnung: Kopf eines Apollon Lykeios / Ausruhender Apollon
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung:
Datierung:Späthellenistisch (GND: 4024313-8)
weitere Datierung:flavisch (GND: 11863089X)
Griechisches Vorbild:4. Jh. v. Chr. (GND: 7696725-6)
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Fundort: Rom
Material / Technik: Weißer, grobkristalliner Marmor
Maße: gesamt 28,5 cm (Höhe)
an Schläfen 13 cm (Breite)
Kinn bis Stirnhaarmitte 19 cm (Höhe)
äußere Augenwinkel 9,5 cm (Distanz)
Provenienz:1924 durch Tausch aus dem Provinzialmuseum Bonn (ehemals Inv. Nr. 29482)


Katalogtext:
Der jugendliche Kopf mit schmalem kurzem Untergesicht ist zur linken Seite gewendet und geneigt. Eine Mittelscheitelfrisur aus gleichförmigen eng anliegenden Haaren rahmt Stirn und Schläfen. Wellige lange Strähnen, die auch die Ohren mindestens halb bedecken, sind nach hinten gekämmt und vereinigen sich mit den Kalottensträhnen in einem breiten Krobylos, der unten am Haarrand hängt und noch im Nackenansatz anliegt. Auf den Wangen vor den Ohren hängt je eine flache Sichellocke aus dem voluminösen Haarkranz. Eine Binde für die Schnürung der Schlaufe mit den aufwärts geführten Strähnen, deren Enden auf dem Krobylos liegen, ist nicht dargestellt. Eine gestufte Haarpartie aus kurzen welligen Locken liegt vorn auf dem Kalottenhaar und ist vom Mittelscheitel zu den Seiten gekämmt. Sie erweist den Kopf als männlich (Bieber 1923/24, Möbius). Hinter dem gestuften Haar ist die Kalotte oben horizontal abgeflacht und trichterförmig eingetieft; von dort verläuft eine kurze flache Rinne im Haar zur linken Kopfseite. Diese Zurichtung diente der Anstückung einer auf der Kopfmitte aufliegenden und noch ein wenig zur linken Seite reichenden rechten Hand, deren exaktes Aufliegen als separates Werkstück im Bereich des Unterarmes, des Handgelenkes oder Handrückens hier nicht festzustellen ist. Der Mittelscheitel ist aus der Mitte der Stirn nach rechts verschoben. Die gerundeten Brauenbögen, die Einbettung der Augen in sanft gewölbte Orbitale, die an- und abschwellende Modellierung der Wangen-Mund-Kinnpartie und die Verwendung eines ungewöhnlich großkristallinen Marmors haben Möbius zu der erwägenswerten Vermutung veranlasst, der Kopf könne »in seiner flüchtigen, ja derben, aber sehr lebendigen Ausführung in Griechenland oder im griechischen Osten wohl noch zu späthellenistischer Zeit entstanden sein« (Möbius EA 4244/45). Der stark korrodierte Zustand erschwert eine eindeutige Bewertung. Falls es sich um eine kaiserzeitliche Arbeit handeln sollte, kommen wohl als späteste Entstehungsphase die flavische Periode in Betracht.

Die Geste der auf dem Kopf ausruhenden rechten Hand und eine Kopfwendung zur linken Schulter bezeugen diverse Standbilder des Apollon, die von den meisten Forschern in der Tradition des spätklassischen Apollon Lykeios gesehen werden. Aber wegen seiner starken Seitenneigung und andersartigen Frisur gehört der Kopf nicht in die Replikenserie des Apollon Lykeios. In der Haltung ähnelt er dem Apollon Typus Kyrene, kann aber wegen der abweichenden Frisur ohne hohe Stirnlocke und ohne Schulterlocken auch nicht zu dessen Wiederholungen gezählt werden. Auch die allgemeinen Entsprechungen in der Handgeste, Kopfhaltung und Frisur zu dem Apollon Typus Apollino Florenz reichen nicht aus, um unseren Kopf unter die Wiederholungen dieses Typs einzureihen. Zwar haben sie das Motiv der Wangenlöckchen vor den Ohren gemeinsam und zeigen eine ähnliche Gesichtsproportion mit schmalem Mund und kurzem Untergesicht. Aber die gestufte flache Stirnhaarpartie und die seitliche Haarführung des Kasseler Kopfes weichen von der hoch stehenden Stirnhaarschleife und der Haarwiedergabe an den Kopfseiten des Apollino so weit ab, dass zwischen ihnen kein Replikenverhältnis besteht. Die auf dem Kopf ruhende rechte Hand und eine ähnliche Kopfhaltung zeigt auch der sitzende Apollon Typus Delphinios Milet, der das Vorbild für unseren Kopf gewesen sein könnte (Berger 1962). Großplastische Kopfwiederholungen des späthellenistischen milesischen Kultbildes sind bisher nicht nachgewiesen (Thomas 1983). Für die noch zu leistende genauere Vorstellung von der Physiognomie und der Frisur des Apollon Delphinios bieten die Münzbilder und Kleinbronzen wie Kassel Br 699 darstellungstechnisch wie formatbedingt keine hinreichende Grundlage. Zudem fehlen weitere Befunde und Belege, die von Berger anhand der Kasseler Kleinbronze geäußerte Vermutung zu verifizieren. Die Fülle und Variationsbreite sich physiognomisch sowie in der Kopfhaltung und Frisur ähnelnder Köpfe des Späthellenismus und der Kaiserzeit verdeutlicht hier der Apollon (?)-Kopf Sk 84.

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 139, Kat.Nr. 38.


Letzte Aktualisierung: 15.04.2024



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