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Athena Typ Hephaisteia



Athena Typ Hephaisteia


Inventar Nr.: Sk 90
Bezeichnung: Athena Typ Hephaisteia
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung:
Datierung:130 - 140 n. Chr.
Griechisches Vorbild:420 - 400 v. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Römisches Reich
Material / Technik: Weißgrauer, fein- bis mittelkristalliner Marmor
Maße: insgesamt 23 cm (Höhe)
Kinn bis Haaransatz 12,5 cm (Höhe)
an Schläfen 9,5 cm (Breite)
äußere Augenwinkel (Gesicht, Helm) 7,2 cm (Breite)
Provenienz:erworben 1777 durch Landgraf Friedrich II. in Italien


Katalogtext:
Die jugendliche Göttin mit zarten aber doch festen Gesichtsformen hat den korinthischen Helm zurückgeschoben. Dem liebenswürdigen und zugleich entschiedenen Gesichtausdruck verleiht der schmale Mund besondere Lebendigkeit durch die gerundeten Lippen mit vorspringender Mitte der Oberlippe und die feine Mundspalte. Die freiplastischen Spitzen des Wangenschutzes verschatteten ehemals den Mittelscheitel. Von der Stirn ist das Haar in welligen, ziemlich parallelen Strähnen zu den Seiten über die Ohren bis in den Nacken gelegt. Im Bereich der seitlichen Helmeinschnitte zwischen Nacken- und Wangenschutz wird die Lederkappe im Helm sichtbar. Unter den schlaufenförmig umgeschlagenen Laschen staut sich das Haar und bedeckt die obere Hälfte der Ohren. Die wellig nach hinten gestrichenen Lockensträhnen sind unterhalb des Helmrandes zu einem breit ansetzenden Nackenzopf zusammengenommen, der dicht hinter dem linken Ohr den Nacken bedeckend herabhängt. Die Lockensträhnen hinter dem rechten Ohr sind weiter nach hinten gestrichen, die rechte Halsflanke ist stärker entblößt. Daraus ist zu erschließen, das Athena den Kopf etwas zur linken Seite dreht. Der in Kinnhöhe geschnittene Halsansatz scheint diese Bewegung zu bestätigen. Infolge der leichten Linksdrehung des Kopfes dienen minimale Asymmetrien (Augenform, nach rechts verschobener Mittelscheitel) dem perspektivischen Ausgleich. Den Helmkessel schmückte einst ein Helmbusch (und seitliche Helmzier?). Den unteren Rand und die Augenränder des Helmes schließt ein feiner, von einer Ritzlinie begleiteter Wulst ab.

Mit einigem Recht kann die vorzügliche Kopie auf ein bronzenes Vorbild aus dem letzten Viertel des 5. Jhs. v. Chr. zurückgeführt werden. Dieser Athenakopf ist in zwei bis drei weiteren römischen Kopien überliefert (Bieber 1915; Breuer 2001). Die Kopfwiederholung auf der Statue Louvre Ma 847 gibt einen ersten Anhalt, den Figurentypus zu erschließen. Diese Athena trägt einen ungegürteten ›lakonischen‹ Peplos und entspricht in Ponderation und Gewanddarstellung dem Figurentypus Athena Cherchel. Allerdings weicht die Pariser Statue motivisch mit ihrer leichten Linkswendung des Kopfes, in der Ägisform und mit der Ciste in der linken Hand von dem Typus Cherchel ab, der in mehreren Torsorepliken übereinstimmend eine Schrägägis trägt und anscheinend den Kopf zur rechten Standbeinseite wendet sowie den Schild neben dem linken Spielbein auf einem Anthemion absetzt. Daher wird die Pariser Athena als Variante des Figurentypus Cherchel angesehen. Der Kopf Kassel und seine Replik Vatikan 264 (und Karlsruhe B 2407?) könnten von weiteren statuarischen Wiederholungen der Pariser Athena stammen. Ob diese Einzelköpfe nun zu einem eigenen mehrfach kopierten klassischen Athenatyp gehören oder ob es sich bei ihnen um einzelne römische Varianten der Figurentypen Athena Cherchel-Ostia oder Athena Ince M 8 mit rechts gewendetem Kopf handelt, bleibt zukünftigen Studien vorbehalten. Eine detaillierte Kopienkritik (Landwehr 1993) könnte zur Klärung der Kontroverse beitragen, ob die ikonographische wie stilistische Gleichsetzung unseres Athenakopfes bzw. dieser Figurentypen in 2/3 Lebensgröße mit dem inschriftlich und literarisch überlieferten Kultbild der Athena Hephaisteia des Alkamenes um 421–415 v. Chr. berechtigt ist.

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Bieber, Margarete: Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Cassel. Marburg 1915, Kat.Nr. 13.
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 83, Kat.Nr. 15.


Letzte Aktualisierung: 15.04.2024



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