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Athena Giustiniani



Athena Giustiniani


Inventar Nr.: Sk 82
Bezeichnung: Athena Giustiniani
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung:
Datierung:130 - 140 n. Chr.
Griechisches Vorbild:Ende 5. Jh. v. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Römisches Reich
Material / Technik: Weißer, feinkristalliner Marmor mit schrägen grauen Streifen
Maße: insgesamt 3 cm (Höhe)
Kinn bis Stirnhaarscheitel 17 cm (Höhe)
an Schläfen 12,5 cm (Breite)
äußere Augenwinkel 19 cm (Breite)
Provenienz:erworben 1777 von Th. Jenkins bzw. General Johann Ludwig Graf von Wallmoden-Gimborn durch Landgraf Friedrich II. in Rom


Katalogtext:
Athena hat den korinthischen Helm zurückgeschoben. Eine geringe Linkswendung des Kopfes ist noch dem Halsrest vorn und seitlich abzulesen. Das lange schmale Gesicht mit kräftigen Augenlidern und vollen Lippen des minimal geöffneten Mundes wirkt ernst und nachdenklich. Das gescheitelte Stirnhaar war unter den freiplastischen Spitzen des Wangenschutzes verschattet und tritt erst an den Schläfen unter dem Helmrand heraus. Die lebhaft gewellten Strähnen führen nach hinten unter die Lederkappe im Helm. Seitlich quellen sie unter den schlaufenförmig herausgeschobenen breiten Lederlaschen hervor, die Ohren ganz verhüllend. Breit setzt das Haar im Nacken unter der Lederlasche an mit abwärts gerichteten Lockensträhnen hinter der rechten Halsflanke. Die Wangenschirme schmücken feinreliefierte antithetische Widderköpfe mit geriefeltem Gehörn, Spitzohren und krauslockigem Stirnhaar. Die schwach gewölbten Flächen in den Helmaugen deuten das herabgerutschte Helmfutter an. Auf dem Scheitel des Helmes war vermutlich eine hockende Sphinx angebracht, wie es die Mehrzahl der Kopfwiederholungen zeigt.

Dieser Kopftypus ist in weiteren 13 Kopfrepliken und drei statuarischen Wiederholungen in Rom (Vatikan 2223, Villa Albani/Mus. Torlonia, Variante Kap. Mus. 278) überliefert, denen weitere Torsorepliken anzugliedern sind. Die Haare trägt Athena im Nacken zusammengebunden, die Enden auf dem Rücken zu acht kunstvollen Locken gedreht.

Die Göttin ist mit einem feingefälteten Chiton mit Apoptygma bekleidet, die von Schlangen gesäumte Ägis mit struppigem hässlichen Gorgoneion wird teils von einem Mantel verdeckt, der auf der linken Schulter liegt und um den Unterkörper gezogen ist. An ihrer rechten Spielbeinseite hält Athena mit erhobenem Arm die aufgestellte Lanze, um deren unteres Ende sich die heilige Burgschlange windet. Mit der linken Hand fasst sie locker an den Mantelsaum vor der Brust und wendet sich leicht zur linken Standbeinseite.

Übereinstimmend führt die Forschung die zahlreichen und leicht variierenden Wiederholungen auf eine etwas überlebensgroße, steil aufgerichtete und reich gewandete attische Bronzestatue zurück und sieht aufgrund der ruhigen Haltung und des ernsten sinnenden Ausdrucks im Wesen dieser Athena vor allem die Schirmherrin der Wissenschaft verkörpert. Die stilistische Einordnung des Originales schwankt zwischen 440 und 370 v. Chr. Die Frühdatierung stützt sich auf die großflächigen, glatten Formen und scharfkantig geschnittenen Details des Kasseler Athenagesichtes. Sie stimmen aber nicht mit der weicher fließenden Haarwiedergabe überein und sind der gründlich putzenden Oberflächenreinigung des 18. Jhs. anzulasten. Unrestaurierte Kopfrepliken wie Athen Nat. Mus. 3004 bewahren eine stimmigere Modellierung von Gesicht und Frisur, die originalen Skulpturen und Reliefs der nachparthenonischen Zeit entspricht und die Kopf und Körper der Athena zu größerer Übereinstimmung bringen. Die Athena Typus Giustiniani lässt sich stilgeschichtlich und ikonographisch in ihrer Vereinigung blockhafter Struktur mit zitatreichen, wie malerisch ausgebreiteten Details der attischen Kunst gegen Ende des 5. Jhs. v. Chr. zuweisen. Sie wird nach neuen Forschungen mit dem Kultbild im attischen Pallene identifiziert; dieser Tempel wurde in der frühen römischen Kaiserzeit auf die Athener Agora versetzt und galt bisher als dem Kriegsgott Ares geweiht (Harrison 2005, Korres 1998).

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Bieber, Margarete: Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Cassel. Marburg 1915, Kat.Nr. 12.
  • Savoy, Bénédicte: Patrimoine annexé: Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Paris 2003, S. 16, Kat.Nr. 15b.
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 81, Kat.Nr. 14.


Letzte Aktualisierung: 15.04.2024



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