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Ephebe Typ Ölausgießer Petworth



Ephebe Typ Ölausgießer Petworth


Inventar Nr.: Sk 9
Bezeichnung: Ephebe Typ Ölausgießer Petworth
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung:
Datierung:145 - 155 n. Chr.
Griechisches Vorbild:5. - 4. Jh. v. Chr. (GND: 143520598)
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Römisches Reich
Material / Technik: Weißer, feinkristalliner Marmor
Maße: Torso 80,5 cm (Höhe)
Brustwarzen 16,5 cm (Distanz)
rechte Brustwarze bis Penisansatz 29 cm (Distanz)
linke Brustwarze bis Penisansatz 28 cm (Distanz)
Provenienz:erworben 1777 durch Landgraf Friedrich II. in Rom bei Gavin Hamilton


Katalogtext:
Statuen sich salbender und reinigender Sportler sind vor allem nach griechischen Vorbildern aus dem 4. Jh. v. Chr. überliefert. Unser Torso gibt in der Körperbildung und – wie allgemein gedeutet – in der Tätigkeit einen Epheben wieder, der sich aus einem Gefäß in der erhobenen Rechten Salböl in seine linke Hand gießt, die er flach und leicht gekrümmt mittig vor sich an den Bauch hält. Er bereitet sich auf das Training in dem Gymnasion bzw. der Palästra oder auf einen Wettkampf anlässlich der vielen kultischen Agone vor, indem er sich wie die Sportler aller Altersstufen zuvor mit Öl einreibt. Bei schwach zurückgebogenem Oberkörper beugt er den Kopf etwas vor und wendet sich dem Ausgießen des Öls auf der leicht zum Körper gekippten und unterhalb des Nabels anliegenden Hand zu. Der Oberkörper ist kaum merklich zur linken Seite gesenkt. Das Becken mit hochgezogenen Leistenlinien folgt in seinem Schrägstand der Stellung des linken Standbeins und dem entlasteten Spielbein mit etwas vorstehendem Oberschenkel und zurückgesetztem Unterschenkel. Auch die relativ eng zusammenstehenden Oberschenkel weisen auf einen nicht allzu weit ausgreifenden Schrittstand hin.

Der Torso ist eine verkleinerte Version der Statue Ölausgießender Ephebe Petworth (zuletzt Berger 1992). Er weicht von der Statue nicht nur durch knabenhafteres Format, sondern auch durch die unbehaarte Pubes, die schwächer ausgeprägte Leistenlinie und den tiefer gehaltenen linken Unterarm mit Hand unterhalb des Nabels ab. Inwieweit diese geringen ikonographischen Veränderungen zu einer Figurenvariante (Porträt eines Knaben?) oder lediglich zur miniaturisierten Wiederholung des Epheben Petworth gehören, ist dem Statuettentorso nicht mehr abzulesen. Die knappe vereinfachende Modellierung der Muskulatur und des Knochenbaus auf der Vorderseite und das durch Hebungen und Senkungen belebte Inkarnat der Rückseite mit additiv aufgesetzter Muskelangabe sind in Verbindung mit linear gezogenen Bohrrillen Hinweise auf eine antoninische Arbeit (Bartman 1992).

Das Vorbild Ölausgießender Ephebe Petworth wird in traianische Zeit datiert und gilt aufgrund seines Motivs, Körpertypus, seiner Haltung und Proportionen und seiner Haarwiedergabe als römische Neubildung in Anlehnung an griechische Figuren des 5. und 4. Jhs. v. Chr. (Zanker 1974, Berger 1992). Das Handlungsmotiv des Ölausgießenden Athleten überliefern die Figurentypen Dresden-Florenz und München des 4. Jhs. v. Chr., deren typologische Eigenständigkeit oder Abhängigkeit voneinander noch kontrovers diskutiert wird (zuletzt Protzmann 2000, Geominy 2000). Übereinstimmung besteht in der Forschung darin, dass ihre inhaltlich neuen Formulierungen in der statuarischen Tradition polykletischer Figuren stehen und dem Diadoumenos (s. Sk 27 und Sk 11) sowie besonders dem Epheben Westmacott (s. Sk 87) verpflichtet sind. Der Ephebe Petworth und dieser Torso verknüpfen das neue Handlungsmotiv des 4. Jhs. v. Chr. mit noch stärkeren Angleichungen in Verjüngung, Körperform und Bewegung, in Kopfhaltung und Frisur sowie in der Beinstellung und in dem abgeschwächtem Schrittstand polykletischer Ephebenstatuen Westmacott und Dresden des 5. Jhs. v. Chr. In dieser polykletisierenden Rückstilisierung wird ein weiteres Indiz für die eklektische römische Kunst mit ihren artifiziellen Umbildungen und zitatenreichen Neuschöpfungen vor allem während der mittleren Kaiserzeit gesehen (Zanker 1974). Daher muss es nicht verwundern, dass unser Torso aus der Mitte des 2. Jh. n. Chr. als verkleinerte Version von der Statue Petworth – aus uns nicht mehr erkennbaren Gründen – abweicht.

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Bieber, Margarete: Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Cassel. Marburg 1915, Kat.Nr. 10.
  • Savoy, Bénédicte: Patrimoine annexé: Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Paris 2003, S. 37, Kat.Nr. 50a.
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 171.172, Kat.Nr. 49.


Letzte Aktualisierung: 15.04.2024



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