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Sitzende Muse mit großer Kithara



Sitzende Muse mit großer Kithara


Inventar Nr.: Sk 151
Bezeichnung: Sitzende Muse mit großer Kithara
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung:
Datierung:150 - 170
Griechisches Vorbild:um 300 v. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge:
Rom
Griechenland
Fundort: Anatolien
Material / Technik: Weißer, mittelkristalliner Marmor
Maße: insgesamt 143 cm (Höhe)
Figur 136 cm (Höhe)
Kopf 17,2 cm (Höhe)
Kinn bis Haaransatz 15 cm (Höhe)
Gesicht (Ansatz Ohrläppchen) 11,3 cm (Breite)
Provenienz: Schenkung der Familiengesellschaft Dierichs, Kassel 2007; vormals Leihgabe ALg 260 seit 1979 (Erworben 1979 im Kunsthandel K. Alavi, Zürich)


Katalogtext:
Auf einem Felsen sitzt eine junge in Chiton und Mantel gekleidete Frau, den Kopf zur rechten Schulter gewendet und etwas geneigt. Ihr feinpoliertes Gesicht mit gebohrten Pupillen und hochsitzendem Mund rahmt das vom Mittelscheitel nach hinten und aufwärts in gleichmäßigen Wellen gekämmte Haar, je eine kleine Locke liegt auf den Wangen vor den halbbedeckten Ohren. Die Lockensträhnen verschwinden unter einem dicht anliegenden breiten Reifen bzw. dem straff gebundenen Rand eines großflächigen kurzen Haubentuches auf dem Oberkopf. Das Kalottenhaar und der Schopf über dem entblößten Nacken sind nur summarisch ausgeformt. Die Figur ist im Wesentlichen frontal ausgerichtet, der Oberkörper minimal vorgebeugt und die rechte Schulter ein wenig gesenkt. Mit dem linken angewinkelt zur Seite und nach vorn geführten Arm umfasste sie eine Kithara, die sie auf dem linken Oberschenkel abgesetzt hat. Die rechte Hand lag vermutlich mit einem Plektron auf dem rechten Oberschenkel. Die Kitharaspielerin musiziert momentan nicht, scheint aber gleichsam bereit zum musikalischen Vortrag, wie die wenig entspannte Sitzhaltung auf dem hohen Felsen und die Aufmerksamkeit der Kopfhaltung andeuten. Sie hat den Mantel über ihre Beine gebreitet, dabei den oberen Teil des dichten Stoffes zusammengebauscht und als Polster für die Kithara auf dem linken Oberschenkel sowie als Sitzunterlage auf dem Felsen benutzt. Das restliche Manteltuch hängt am Felsen neben dem linken vorgesetzten und dem rechten zurückgenommenen Unterschenkel herab. Der kurzärmelige, geknöpfte Chiton liegt eng an und lässt Körperformen durchscheinen, gleitet ein wenig von der rechten Schulter herab und lässt den gering polierten Brust- und nur geglätteten Rückenansatz frei. Über der hohen Gürtung mit Schleife stauen sich zwei Faltenbäusche unter den Achseln. Unter dem Mantelsaum in Knöchelhöhe tritt der Chiton wieder hervor und reicht bis auf den felsigen Boden herab, lediglich die Fußspitzen bleiben unbedeckt. Sie trägt Sandalen, vorne von zwei Riemen gehalten, die zwischen der ersten und zweiten Zehe zur Sohle führen.

Die nahezu vollständig erhaltene Statue gehört dem Figurentypus der Sitzenden Muse mit der großen Kithara an, die in fünf statuarischen Wiederholungen aus dem 2. Jh. n. Chr. und zwei kleinen Relieffiguren aus dem frühen 2. Jh. v. Chr. überliefert ist (zuletzt Schneider 1999). Da statuarisch die Zugehörigkeit des Kopfes für die Kasseler Replik zweifelsfrei gesichert ist und die Kopfwendung nach rechts mit dem milesischen Torso aus den Faustinathermen übereinstimmt, sind dieser Kopftypus und die gemeinsamen statuarischen Elemente der Wiederholungen auf ein Vorbild zurückzuführen. Für das häubchenartige Haartuch finden sich bisher keine weiteren eindeutigen Belege bei Musendarstellungen. Die kleine Wiedergabe auf dem Relief aus Tripolis (Peloponnes) und die 17 cm hohe Figur auf dem Archelaos-Relief in London mit abweichender Manteldrapierung und Fußstellung, die unseren Typus in rechter Profilansicht wiedergeben, werden nun in den Anfang des 2. Jh. v. Chr. datiert. Die ikonographischen Übereinstimmungen unseres Figurentypus mit der sitzenden Muse auf der Mantineia-Platte in Athen (NM 216) aus dem ausgehenden 4. Jh. v. Chr. führen zu dem plausiblen Vorschlag, das Vorbild der Sitzenden Muse mit der Kithara dem späten 4. bis frühen 3. Jh. v. Chr. zuzuweisen (Schneider 1999). Der Fundort und der figürliche, räumliche und historische Kontext der Kasseler Statue sind leider unbekannt. Ein Vergleich der beiden kleinasiatischen Statuenrepliken zeigt, dass die Kasseler Statue in der steiferen Sitzhaltung und in der vereinfachten Gewandwiedergabe eine bildhauerisch weniger anspruchsvolle Kopie als der milesische Torso ist und in der Gewandbehandlung einige prägnante Ähnlichkeiten mit Skulpturen aus Perge aufweist. Die Ausführung der Bohr- und Meißelarbeit, in der graduell abgestuften Modellierung durch Politur und Glättung von Inkarnat, Haar sowie Gewändern und in der Augenbohrung mit zwei nebeneinanderliegenden Löchern wird einvernehmlich in mittelantoninische Zeit um 160 n. Chr. datiert, in welcher anscheinend alle statuarischen Repliken gefertigt wurden (Schneider 1999).

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 114, Kat.Nr. 28.


Letzte Aktualisierung: 08.03.2024



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