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Löwe



Löwe


Inventar Nr.: ALg 5
Bezeichnung: Löwe
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung: 300 - 250 v. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Tarent
Material / Technik: Kalkstein
Maße: 118 cm (Länge)
74 cm (Höhe)
Provenienz:Leihgabe der Sammlung Peter und Irene Ludwig, Aachen, seit 1968 (erworben 1968, angeblich aus Tarent)


Katalogtext:
Der Löwe duckt sich nach links und wendet anscheinend den erhobenen Kopf einem Gegner zu. Erregt zeigt er bei leicht geöffnetem Maul und zurückgezogenen Lefzen die Zähne. Seine Wachsamkeit und Kampfbereitschaft drücken auch die tiefliegenden emporblickenden Augen, der gerümpfte Nasenrücken, die angelegten Schnurrhaare und die aufgestellten Ohren aus.

Das Gesicht rahmt eine kurzlockige, wild bewegte Mähne mit Nackenkamm, die Hals Schultern und Brust bedeckt. Kurze Zotteln stehen gratartig von den Oberschenkeln nach hinten ab. Durch feine Zahneisenritzung ist das kurzhaarige Fell angedeutet; die Mähne ist materialtypisch gleichsam ziseliert scharf geschnitten. Muskeln und Adern des angespannten Löwenkörpers treten hervor. Den mächtigen Vorderleib stützen die annähernd gleich weit vorgesetzten Vorderläufe federnd ab. Die Schrittstellung der Hinterläufe gibt den Blick auf das Geschlecht frei. Innen am linken Hinterlauf zeigt eine Bruchfläche an, dass der gestreckte Schwanz mit S-förmigem Schwung zwischen die Hinterläufe zurückführte und wie üblich mit der Quaste auf der Plinthe ruhte.

Der Löwe wird von einem Grabmal stammen. In seiner traditionellen Funktion als machtvoller Wächter könnte er sowohl solitär auf einer Grabplatte bzw. auf einem Sockel als auch in einem Grabbau aufgestellt gewesen sein. Seine momentane, kampfbereite Stellung mit Kopfwendung zur Flanke ist charakteristisch für statuarische Löwenbilder der Spätklassik. Unter den großgriechischen Tierbildern bieten die kleinformatigen Löwen und verwandten Raubkatzen der tarentinischen Terrakotta-Appliken aus der 2. Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. die nächsten typologischen und chronologischen Entsprechungen. Sie zeigen das Raubtier in der gleichen Haltung, kampfbereit, den erhobenen Kopf zur Seite gedreht und die Hinterläufe in Schrittposition (Lullies 1962, Sinn 1977, Lattanzi 1996). »Die wie Feuer lodernden und flackernden großen Büschel der reich bewegten Mähne, der gesteigerte pathetische Ausdruck des Kopfes mit leidenschaftlichem Blick aus kleinen tiefliegenden Augen« des Löwen (Lullies 1968, 145), und die Isolierung der Einzelformen durch starke Wölbungen, Einziehungen und Unterschneidungen sind zeitliche und kunstlandschaftliche Stilelemente, die sich auch an den Applikenköpfen der Vasen der Cales- sowie der Gnathia-Gattung mit bedeutender Werkstatt in Tarent und an Tarentiner Terrakottaköpfen des späten 4. und 3. Jhs. v. Chr. wiederfinden. Die detaillierte und naturnah lebendige Modellierung des Körpers sowie die hervorragende Darstellung des kraftvollen und geschmeidigen Raubtieres gestatten uns, den hohen Rang der weitgehend verlorenen Tierskulpturen spätklassisch-tarentinischer Bildhauerkunst in diesem Grablöwen zu erkennen.

(Gercke 2007)



Literatur:
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 329, Kat.Nr. 109.


Letzte Aktualisierung: 03.04.2019



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