Drechselbank mit Passig- und Ovalwerk



Drechselbank mit Passig- und Ovalwerk


Inventar Nr.: KP NT 422
Bezeichnung: Drechselbank mit Passig- und Ovalwerk
Künstler / Hersteller: Pieter Geuns (1706 - 1776)
Datierung: um 1770
Objektgruppe: Gerät / Maschine
Geogr. Bezug: Maaseyck / Niederlande
Material / Technik: Holz: Eiche, Nussbaum, Metall: Messing, Stahl
Maße: 134 x 120 x 72 cm (Objektmaß)


Katalogtext:
Die Drechselbank gilt als eine von sieben Drechselbänken, die Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel besaß. Sie besteht aus einem Trägergestell, auf das verschiedene Blöcke mit Werkzeugteilen montiert sind. Für den Drehvorgang sind im Wesentlichen die Spindel mit den Musterscheiben (Patronen) und der Abtastvorrichtung sowie der sog. Kreuzsupport mit dem spanabhebenden Schabwerkzeug von Bedeutung. Beim Drehvorgang wurde die Spindel mit den Patronen in Rotation versetzt. Die fest montierten Tastwerkzeuge drückten die verschiebare Spindel je nach Muster in Längs- oder in Querrichtung hin und her. Das ebenfalls in die Spindel eingespannte Werkstück wurde auf diese Weise vor dem Schabwerkzeug hin- und her bewegt, das dickere oder dünner Späne abtrug. Da der Drehvorgang sehr langsam vor sich ging, konnte der Dreher diesen Vorgang genau kontrollieren und nachsteuern. Selbst komplizierte Formen waren auf dieser für das Passig- und Ovaldrehen ausgelegten Drehbank möglich. Dem Kraftantrieb diente eine Fußwippe mit Schwungrad, das die Spindel in Rotation versetzte.

Im Jahr 1928 wurde die Drechselbank aus dem Kunstmuseum Düsseldorf übernommen, damals im Tausch gegen einen Enghalskrug der Fayencemanufaktur Hanau (heute Hetjens-Museum) und eine Armbrust mit Winde (Museum Kunstpalast Düsseldorf, Inv. Nr. P 1929-177). Schon im Vorfeld des Tauschvorgangs fragte der damalige Direktor des Landesmuseums, Kurt Luthmer, in Düsseldorf nach, worauf sich die Überlieferung gründe, dass die Drechselbank aus dem Besitz Wilhelms IX stamme. Wie berechtigt dieses Rückfrage war (und dass sie offenbar nicht korrekt beantwortet wurde), zeigt die neuerliche Überprüfung des Düsseldorfer Inventars (mein Dank gilt Elke Dichter, Stiftung Museum Kunstpalast). Im Jahr 1898 ist dort der Zugang der Drechselbank vermerkt mit dem Zusatz „angefertigt für den Großherzog von Hessen um 1770“. Als Schenker wird der Düsseldorfer Industrielle Ernst Schiess (1840-1915) genannt, der selbst eine Werkzeugmaschinenfabrik besaß. Dieser Inventareintrag verändert das Bild: Als „Großherzog von Hessen“ kommt nur Landgraf Ludwig X. von Hessen-Darmstadt (1753-1830) in Betracht, der seit 1806 den Titel des Großherzogs von Hessen führte. Um 1770 wäre er 17 Jahre alt gewesen. Bereits sein Urgroßvater Ernst-Ludwig von Hessen-Darmstadt (1667-1739) war ein begabter Drechsler gewesen und hatte im Darmstädter Schloss um 1700 eine Drechselkammer eingerichtet, die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. So liegt es aufgrund der Familientradition nicht allzu fern, dass die filigrane Drehbank nicht aus Kasseler, sondern aus Darmstädter Besitz stammen könnte.
Antje Scherner


Weitere Materialien zum Download:

Literatur:
  • Kauf und Tausch, 13.12.1928-9.8.1929, S. Bd. 17, S. 19-23.
  • Spannagel, Fritz: Das Drechslerwerk. Ein Fachbuch für Drechsler, Lehrer und Architekten. Auch ein Beitrag zur Stilgeschichte des Hausrats. 2. Auflage. Aufl. Ravensburg 1981, S. 21.
  • Scherner, Antje [Bearb.]; Cossalter-Dallmann Stefanie [Bearb.]: Aus der Schatzkammer der Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Petersberg 2016, S. 170, Kat.Nr. 76.


Letzte Aktualisierung: 05.07.2023



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