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Große Dose mit umlaufender Hafenlandschaft



Große Dose mit umlaufender Hafenlandschaft


Inventar Nr.: KP B VI/II.132
Bezeichnung: Große Dose mit umlaufender Hafenlandschaft
Künstler / Hersteller: Gottfried Wolffram (vor 1683 - 1716), Zuschreibung
Andoin Schaeff, fraglich
Datierung: um 1710
Objektgruppe: Dose / Kassette
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Elfenbein, gedrechselt, geschnitzt und poliert
Maße: 14,1 cm (Deckel) (Durchmesser)
6 cm (Höhe)


Katalogtext:
Die große elfenbeinerne Dosen mit einer Hafenlandschaft auf dem Deckel und Landschaften am Rand gehört zu einer Reihe kunstvoll geschnitzter Elfenbeindosen, die Teil der Sammlungen europäischer Fürstenhöfe waren und im späten 17. und frühen 18. Jahrhundert entstanden. Auch diese Dose stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert, ist jedoch weder signiert und datiert. Landgraf Carl von Hessen-Kassel (1654-1730) sammelte Kunstwerke aus Elfenbein, hatte selbst das Elfenbeindrechseln erlernt und beschäftigte Elfenbeinkünstler am Hof, unter denen besonders Jacob Dobbermann (1682-1745) hervorstach. Er besaß zahlreiche Statuetten, Elfenbeinmedaillons, Gefäße und auch eine Dose mit geschnitzten Landschaften am Rand und einem Spiegelmonogramm auf dem Deckel, die dieser ähnelt (KP B VI/II.171).
Diese Dose konnte bisher jedoch nicht in Inventaren, die aus der Zeit Landgraf Carls datieren, identifiziert werden, obwohl sie gut zu den Sammlungen des Landgrafen passen würde. Die Künstler, denen die Dose zugeschrieben wird – Jacob Dobbermann und Gottfried Wolffram –, sind dem Umkreis Landgraf Carls zuzuordnen und er besaß nachweislich Kunstwerke dieser Künstler, zumal Dobbermann in Kassel lebte und für den Hof tätig war. Sowohl Künstler als auch Entstehungsumstände, Datierung und Erwerbunsgzeitpunkt sind nicht bekannt.
Traditionellerweise wurde die Dose Jacob Dobbermann zugeschrieben, der zahlreiche Bernstein- und Elfenbeinarbeiten für den Kasseler Hof schuf. Jørgen Hein äußerte in einem Aufsatz über Gottfried Wolffram jedoch berechtigte Zweifel an der Urheberschaft Dobbermanns und hielt aufgrund stilistischer Merkmale eine Zuschreibung an Gottfried Wolffram oder Andoin Schaeff (auch Anthoni Shepherd oder Schaeffer ) für wahrscheinlicher (vgl. Hein 1991, S. 29 mit Abb. 38, 39). Auch der Umstand, dass Dobbermann erst 1716 in Kassel nachweisbar ist und einige seiner Werke die Signatur „ID“ tragen, die auf dieser Dose fehlt, nimmt er zum Anlass, von einer Zuschreibung an Dobbermann Abstand zu nehmen.
Hein begründet seine Zuschreibung an Wolffram sowohl aufgrund der charakteristischen Landschaftsdarstellungen auf der Dose als auch über Verkaufsdokumente Wolfframs von Elfenbeindosen. Die Seelandschaft auf dem Deckel und dem Rand der Dose weist er stilistisch der „linear-graphischen Gruppe“ („linear-graphic-group“, Hein 1991, S. 27) von Gottfried Wolffram zu, in der er eine Wiederholung der Kopenhagener Reliefs mit Seelandschaften erkennt (vgl. Hein 1991, S. 27; S. 24, Abb. 28). Eine Zuschreibung der Dose an Schaeff (Christian Theuerkauff und Gudmund Boesen) schließt Hein zwar nicht vollkommen aus, hält sie aber für unwahrscheinlich. Die Dose hätte nach Schaeffs Fortgang im Besitz Wolfframs verbleiben und von ihm Jahre später am Kasseler Hof verkauft werden müssen (vgl. Hein 1991, S. 28).
Für die Motive der Dosenwandung griff Wolffram auf graphische Vorlagen, in diesem Fall von Gabriel Perell und Jacques Callot zurück (Theuerkauff 1986). Nahezu identische Szenen sind auf zwei Reliefs in Schloss Rosenborg wiedergegeben (Hein 2018, Kat. Nr. 142 und 143), die sich 1735 im Nachlass von Prinzessin Sophie Hedevig, der einzigen Tochter König Christians V. und Charlotte Amalie von Hessen-Kassel befanden. Auch eine seit dem Zweiten Weltkrieg verschollene Dose im Berliner Kunstgewerbemuseum verarbeitete dieses Vorbild.
Die elfenbeinerne Dose mit einer Hafenlandschaft auf dem Deckel und Landschaften am Rand ist im Museumsinventar von 1791 nachzuweisen. Im Inventar „B VI: Copia. Museum. Inventarium über Kunstsachen von Bernstein, Elfenbein, Agath, Holz, gebrannte Erde und andern mehr“ wird sie folgendermaßen beschrieben:
„132) Eine große Schachtel, worauf ein Schloß und einige [allerh.] / Schiffe und [ein] Hafen zu sehen, an den Seiten Land, / schaften.“
Elisabeth Burk, 10.08.2017



Literatur:
  • Volbach, W. F.: Die Bildwerke des Deutschen Museums, Bd. 1: Die Elfenbeinbildwerke. Berlin, Leipzig 1923, S. 91, Kat.Nr. 3152.
  • Julius, Arvid: Jean Cavalier och några andra elfenbenssnidare. Studier i elfenbensplastik i Sverige. Uppsala 1926, S. 69.
  • Arnold, Ulli: Elfenbeinreliefarbeiten von Wilhelm Krüger. In: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (1970/71), S. 191-207.
  • Claudia Nickel: Der Bernstein- und Elfenbeinschnitzer Jacob Dobbermann (1682-1745). Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades [...] der Universität Göttingen. Göttingen 1985, S. 36; 47; 115, Kat.Nr. 53.
  • Theuerkauff, Christian: Die Bildwerke in Elfenbein des 16.-19. Jahrhunderts. Berlin 1986, S. 263, 266, Kat.Nr. 73.
  • Hein, Jørgen: Ivories by Gottfried Wolffram. In: Scandinavian journal of design history 1 (1991), S. 7-34, S. 27 ff.
  • Karin Annette Möller: Elfenbein. Kunstwerke des Barock. Berlin 2000, S. S. 126, Kat.Nr. 70.
  • Hein, Jørgen: Ivories and Narwahal Tusks at Rosenborg Castle. Catalogue of Carved and Turned Ivories and Narwahal Tusks in the Royal Danish Collection 1600-1875. Kopenhagen 2018, S. 230, Kat.Nr. 143.


Letzte Aktualisierung: 27.03.2023



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