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Togatus



Togatus


Inventar Nr.: Sk 7
Bezeichnung: Togatus
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung: 40 - 50 n. Chr., claudisch
Epoche/Stil:claudisch (GND: 1089237510)
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge: Römisches Reich
Material / Technik: Weißer, mittelkristalliner Marmor mit bläulichen Adern und Sprenkeln
Maße: 160 cm (Höhe)
Provenienz:erworben 1777 durch Landgraf Friedrich II. in Rom von Thomas Jenkins


Katalogtext:
Das Gewicht des Torsos ruht auf seinem durchgedrückten rechten Bein. Das entlastete linke Bein ist im Knie gebeugt und seitlich etwas nach vorne gestellt. Auf der Standbeinseite schwingt die Hüfte leicht nach außen, die Schulter ist gesenkt. Der linke Arm ist im Ellbogen angewinkelt und nach vorne geführt. Der gesenkte rechte Arm war schräg nach vorne gerichtet.

Die Figur trägt eine Tunika als Untergewand, die rechts im Bereich der Brust und am Arm sichtbar ist. Sie besteht aus dünnem Stoff, der in größeren Abständen flache Falten wirft. Unter der rechten Achsel schieben sich die Stoffpartien übereinander, am Halsausschnitt bilden sich V-förmige Falten. Darüber ist eine Toga aus dickerem Gewebe drapiert. Sie besteht aus einem großen, beinahe kreisrunden Stoffstück, das entlang einer Kante umgeschlagen ist, so dass sich zwei Schichten bilden. Ein Zipfel (Lacinia) hängt vorne zwischen den Unterschenkeln herab. Von dort ist das Gewand über die linke Schulter geführt, dann über den Rücken und unter der rechten Achsel hindurch. Es läuft schräg über den Oberkörper zur linken Schulter und fällt über den linken Unterarm und den Rücken, wo die zweite Lacinia herabhängt. Auf der Vorderseite des Körpers bildet die Umschlagkante in Taillenhöhe einen Stoffwulst (Balteus). Ein Teil des Stoffes ist zu einem großen U-förmigen Umbo über den Balteus herausgezogen. Während die untere Schicht der Toga bis zu den Füßen hinabfällt, bildet das kleinere obere Stoffsegment den Sinus, der bis zum rechten Knie herabreicht.

Trotz der Fülle ihres Stoffes betont die Toga die darunterliegenden Körperformen: Oberschenkel und Knie des Spielbeins treten deutlich unter dem Gewand hervor, das dort glatt anliegt. Über dem Standbein spannt sich der Stoff, so dass er die Körperformen durch Bogenfalten mit scharfen Knicken aus dem Gewand herausmodelliert. Die Stoffpartien schieben sich nach oben übereinander. In den Faltentälern und über dem Knie des Standbeins liegen sie dicht am Körper an. Zwischen den Unterschenkeln und am linken Unterarm bilden sich dagegen lange Bahnen von Zugfalten mit tiefen Tälern. Ähnliche Faltenbahnen, jedoch mit schmaleren und flacheren Tälern, kennzeichnen auch den aufwärts geführten Sinus. Unterhalb des linken Ellbogens fällt die Toga auf der Außenseite in langgezogenen lockeren Bogenfalten herab.

Das Gewand bildet insgesamt eine stoffliche voluminöse Masse. Die Falten sind plastisch differenziert ausgearbeitet. Sie weisen keine scharfkantigen Grate auf. Besonders am Balteus und am Umbo mit ihrem großen Volumen, aber auch am Sinus sind die Falten z. T. als breite, flach auslaufende Bohrkanäle in die Stoffmasse eingetieft. Tüllenförmige Bohrungen lockern den Stoff zusätzlich auf. Die weiche lebhafte Modellierung und die Hell-Dunkel-Kontraste verleihen der Oberfläche eine malerische Wirkung. Schematisch gestaltete Partien hat der Bildhauer konsequent vermieden. Die Rückseite ist eher summarisch ausgearbeitet. Die Toga verläuft in breiten flachen Faltenbahnen schräg über den Rücken und spannt sich über dem Glutäus der Standbeinseite, wo ihr Stoff glatt anliegt. Entlang der rechten Körperseite stauen sich die Falten, die vorne in den Sinus übergehen. Links fällt die rückwärtige Lacinia in geraden gleichmäßigen Falten herab. Im Gegensatz zur sorgfältig geglätteten Vorderseite sind auf der Rückseite noch die Spuren von Zahneisen und Meißel sichtbar, die in feinen Streifen parallel zu den Faltenzügen laufen.

Im Halsausschnitt und in den Armen weist der Torso Vertiefungen auf, die mit dem Meißel aufgeraut sind. Dort sollten der Kopf und die fehlenden Stücke der Unterarme eingesetzt werden.

Folglich handelt es sich bei dem überlebensgroßen männlichen Torso um den Körper einer Bildnisstatue, die auf Bestellung mit einem Porträtkopf vervollständigt werden sollte. Dessen Anfertigung übernahmen im Rahmen eines arbeitsteiligen Herstellungsprozesses häufig spezialisierte Porträtbildhauer (Pfanner 1989). Auch die Hände wurden in einem vom Auftraggeber gewünschten Gestus hinzugefügt und eventuell mit Attributen versehen.

Die Togatracht als offizielles Staatsgewand kennzeichnet ihren Träger (Togatus) als würdevollen römischen Bürger mit vollen Rechten (Niemeyer 1968, Goette 1990, Balty 1991). Die Bildnisstatue mit Togatracht ist also eine genuin römische Schöpfung, die in der monumentalen Freiplastik seit dem späten 2. Jh. v. Chr. belegt ist (Goethert 1939, Niemeyer 1968). Der repräsentative Typus der Togastatue betont den sozialen Status des Dargestellten. Als Ehrenbildnis im öffentlichen Raum verweist er auf Verdienste um die Gemeinschaft oder eine vorbildliche Amtsführung (Niemeyer 1968). Während der Kaiserzeit können Togastatuen sowohl zur Darstellung von Privatleuten als auch von Mitgliedern des Kaiserhauses Verwendung finden.

Der Kasseler Torso ist in die Zeit des Kaisers Claudius zu datieren (Bieber 1915, Goette 1990). Dafür sprechen das bewegte Standmotiv, die Anlage des Gewandes mit knietiefem Sinus und großem, voluminösem Umbo, das die Körperformen deutlich hervortreten lässt, und die plastisch-malerische Faltenwiedergabe (Goethert 1939). Gegenüber der Bildnisstatue des Caligula in Richmond (Goette 1990, 119 Ba 106) stellt der Kasseler Togatus eine stilistische Weiterentwicklung dar. Die scharfkantige Faltenwiedergabe spätclaudisch-neronischer Togastatuen mit ihren breiten, glatt anliegenden Faltentälern (Niemeyer 1968, 84 Nr. 11; Goette 1990) ist jedoch noch nicht zu beobachten. Daher wird der Kasseler Togatus wohl zwischen 40 und 50 n. Chr. entstanden sein. Seine Herkunft und seine hohe bildhauerische Qualität deuten darauf hin, dass der Torso das Produkt einer stadtrömischen Werkstatt ist.

In dem napoleonischen Kupferstichwerk von Filhol (s. hier Zur Geschichte der Skulpturensammlung Abb. 7 f) ist die Statue mit dem nicht zugehörigen Kopf und den nachantiken Marmorergänzungen abgebildet. Wahrscheinlich ließ Thomas Jenkins die entsprechenden Arbeiten noch vor der Veräußerung des Torsos an Friedrich II. durchführen. Meistens vergab er derartige Aufträge an den Bildhauer Cavaceppi (Bieber 1915, S. III). Bei der Anfügung von Kopf, rechtem Unterarm und linker Hand wurden die antiken Einsatzvorrichtungen verwendet. Ob der Torso auch in der Antike plangemäß vervollständigt war, lässt sich heute jedoch nicht mehr feststellen.

(Zimmermann-Elseify 2007)



Literatur:
  • Bieber, Margarete: Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Cassel. Marburg 1915, Kat.Nr. 49.
  • Savoy, Bénédicte: Patrimoine annexé: Les biens culturels saisis par la France en Allemagne autour de 1800. Paris 2003, S. 25, Kat.Nr. 30a.
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 233-235, Kat.Nr. 74.


Letzte Aktualisierung: 15.04.2024



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