Geweihtes Papstschwert Landgraf Wilhelms I.



Geweihtes Papstschwert Landgraf Wilhelms I.


Inventar Nr.: KP B II.613
Bezeichnung: Geweihtes Papstschwert Landgraf Wilhelms I.
Künstler / Hersteller: Hieronymus von Sutri, Silberschmied, Vermutet
Datierung: 1490
Objektgruppe: Waffe
Geogr. Bezug: Rom
Material / Technik: Silber, vergoldet, farbiges Email, Stahlklinge, teilvergoldet, Gürtel: Seide (Brettchenweberei?), Metallfäden - Gold- und Silberlahn, Leder
Maße: 136 x 37 x 4,2 cm Schwert (Objektmaß)
105,2 x 7,3 x 4 cm Scheide (Objektmaß)
Gurtband: 146 cm (Länge)
Gesamtlänge Schwert in Scheide 137,8 cm (Länge)
Gurtband: 5,5 cm (Breite)
Beschriftungen: INNOCEN + CIBO + GENVEN [Wappen] + PONT + MAX + ANNO + SAL + MCCCL [Imprese] XXXX (Klingeninschrift, "Paulusseite", obere Zeile)
ECCE + GLADIVUM + ADDEFE [Wappen] NSIONEM + CHRISTIANEM + VERE + [Imprese] FIDEI (Klingeninschrift "Paulusseite", untere Zeile)
ECCE + GLADIVM + ADDEFENS [Wappen] IONEM + CHRISTIANEM + VERE + FIDEI + [Imprese] (Klingeninschrift "Petrusseite", obere Zeile)
INNOCEN + CIBO + [Wappen] GENVEN + PP + VIII + PONTIFICA + SVI + ANNO + [Imprese] + VII (Klingeninschrift "Petrusseite", untere Zeile)
Radschlagender Pfau, darunter auf dem Schriftband "LEAV/TE + PAS/ToVT" (Imprese)
+ INNOCEN * CIBO * GENVEN * [Stichblatt] * PONT * MAX * ANNO * SAL * MCCC (Parierstange, Vorderseite)
OCEN * CIBO GENVEN PAPA * [Stichblatt] * VIII * PONTIFICA * SVI * ANNO * VIII (Parierstange, Rückseite)


Katalogtext:
„Am Weihnachtstage ritten wir in die St. Peterskirche zu der Messe des Papstes. Als die Messe gelesen war, schenkte unser heiliger Vater, der Papst, meinem gnädigen Herrn ein Schwert mit fein gesticktem und gearbeitetem Gehänge und befahl ihm, er möge damit die heilige christliche Kirche und arme Leute mit Gerechtigkeit schirmen“ (Schachten 1925, S. 85). Mit diesen Worten schilderte Dietrich von Schachten (ca. 1445–1503), ein Begleiter Landgraf Wilhelms I. (1466–1515, gen. der Ältere) auf dessen Reise ins Heilige Land, die feierliche Übergabe des geweihten Prunkschwerts durch Papst Innocenz VIII. (Giovanni Battista Cibo, reg. 1484–1492) am 25. Dezember 1491.
Seit mindestens 1357 war es fester Weihnachtsbrauch, dass der Papst einen Kaiser, König oder andere würdige Persönlichkeiten mit Schwert und (Fürsten-)Hut auszeichnete. Das Schwert wurde jeweils zu Jahresbeginn in Auftrag gegeben, sein Empfänger jedoch erst wenige Tage vor der Verleihung durch ein Kardinalskollegium bestimmt. Konnte die kostbare Blankwaffe keinem Würdigen überreicht werden, so wurde sie für das Folgejahr zurückbehalten. In den Aufschriften des Prunkschwerts spiegelt sich dies wider: Das Gefäß, die Scheide und der Gürtel tragen das Wappen und den Namen des Papstes, die Papstkrone mit gekreuzten Schlüsseln, sowie die Anzahl seiner Pontifikatsjahre, die auf der Klinge und dem Gürtel mit „VII“, auf dem Parierbügel des Schwerts durch einen nachträglichen Strich aber mit „VIII“ angegeben ist. Auch die Jahreszahl 1490 auf der Klinge belegt, dass das Schwert schon im Vorjahr gefertigt worden war, offenbar keinen Empfänger gefunden hatte und erst 1491 an Landgraf Wilhelm I. verliehen wurde. Das heraldische Programm nimmt in keiner Weise auf den hessischen Landgrafen Bezug. Vielmehr prangen das persönliche Emblem Innocenz VIII., ein Rad schlagender Pfau und die Devise „LEAVTE PASSE TOUT“ („Redlichkeit über alles“) auf der Scheide. Die Klinge zieren Darstellungen der Apostel Petrus und Paulus sowie eine lateinische Inschrift, wonach das Schwert zur Verteidigung des wahren Christentums dienen sollte.

Das Prunkschwert war nicht nur eine hohe Auszeichnung für Landgraf Wilhelm I., die er in einem 1492/93 geprägten sog. Pilgergroschen zusammen mit den anderen Ehrungen dieser Reise festhalten ließ. Es wurde auch zu einer Herrschaftsinsignie für die nachfolgenden Landgrafengenerationen. Zwei Jahre nach der Pilgerfahrt, 1493, verzichtete Wilhelm I. infolge einer Geisteskrankheit auf die Regierung. Sein jüngerer Bruder und Nachfolger, Landgraf Wilhelm II. (1469–1509, gen. der Mittlere) ließ das Schwert und weitere Kostbarkeiten Wilhelms I. 1496 durch den Kaiser sicherstellen. Offenbar verblieb das Schwert danach im Besitz Landgraf Wilhelms II., denn 1584 wird es unter denjenigen Kunstwerken aufgelistet, die dessen Enkel, Landgraf Wilhelm IV., zum unveräußerlichen Hausschatz erklärte. Nachdem die Landgrafschaft Hessen und der mobile Besitz der Dynastie gemäß des Testaments Landgraf Philipps des Großmütigen unter den vier Söhnen aufgeteilt worden waren, schuf Wilhelm IV. mit dem Hausschatz einen Kernbestand an Kunstwerken, der fortan für immer in Kassel verbleiben und unteilbar sein sollte. Dieser Bestimmung unterwarf er Kostbarkeiten wie die „Seladonschale“, aber auch weitere Erb- oder Beutestücke, deren Gemeinsamkeit darin zu liegen scheint, dass sie als Kunstwerke, aber auch als Symbole für territoriale und dynastische Ansprüche höchste Wertschätzung genossen. Das Papstschwert erinnerte an die päpstliche Auszeichnung Wilhelms I., dürfte aber auch als Zeichen für die legitime Herrschaftsnachfolge der regierenden Landgrafen von Hessen-Kassel gedient haben. Ein letztes Mal erfüllte es diese Funktion 1821, als es bei der Beisetzung des Kurfürsten Wilhelm I. (1743–1821) zusammen mit den Kroninsignien dem Sarg vorangetragen wurde.
(Antje Scherner)


Weitere Materialien zum Download:

Literatur:
  • Schachten, Dietrich von: In Gottes Namen fahren wir ... . Die Pilgerfahrt des Landgrafen Wilhelm des Älteren von Hessen in das heilige Land. Melsungen 1925, S. 85.
  • Schmidberger, Ekkehard: Schwert und Hut - das päpstliche Weihnachtsgeschenk des Jahres 1491 für Langraf Wilhelm I. In: Informationen. Theater und Musik, Kunst und Wissenschaft in Kassel 10 (1979), S. 12-13.
  • Schmidberger, Ekkehard; Richter, Thomas; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: SchatzKunst 800-1800. Kunsthandwerk und Plastik der Staatlichen Museen Kassel im Hessischen Landesmuseum. Wolfratshausen 2001, S. 84-85, Kat.Nr. 25.
  • Schütte, Rudolf-Alexander: Die Silberkammer der Landgrafen von Hessen-Kassel. Bestandskatalog der Goldschmiedearbeiten des 16. bis 18. Jahrhunderts in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel / Wolfratshausen 2003, S. 15.
  • Scherner, Antje [Bearb.]; Cossalter-Dallmann Stefanie [Bearb.]: Aus der Schatzkammer der Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Petersberg 2016, S. 26, Kat.Nr. 4.
  • Wieggrebe, Jürgen: Der Museumsverein fördert das Hessische Landesmuseum. In: Jahrbuch 2016 (2017), S. 308-311, S. 308-309.


Letzte Aktualisierung: 02.05.2023



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