Seladonschale in spätgotischer Fassung "Katzenelnbogische Deckelschale"



Seladonschale in spätgotischer Fassung "Katzenelnbogische Deckelschale"


Inventar Nr.: KP B II.240
Bezeichnung: Seladonschale in spätgotischer Fassung "Katzenelnbogische Deckelschale"
Künstler / Hersteller: unbekannt
Datierung: um 1400, Schale; 1434/1453, Fassung
Objektgruppe: Gefäß
Geogr. Bezug: China, wohl Longquan, Provinz Zhejiang, Mittelrheingebiet
Material / Technik: Silber, getrieben, punziert, gesägt, vergoldet; Steinzeug, Seladonglasur (grüne Eisenoxidglasur); opakes Email; eine Flußperle (moderne Ergänzung)
Maße: 21,5 cm (Höhe)
Deckel 9,3 cm (Höhe)
Schale ca. 7,7 cm (Höhe)
Pokalfuß 12,5 cm (Durchmesser)
Deckel 17 cm (Durchmesser)
Schale 16 - 16,2 cm (Durchmesser)
998,5 g (Gewicht)
Beschriftungen: Keramikmarke auf dem Schalenboden


Katalogtext:
Die elegant in vergoldetes Silber gefasste mattgrüne Seladonschale gilt als eines der frühesten Beispiele für den Import chinesischen Porzellans nach Westeuropa. Sie entstand in der frühen Ming-Zeit (ab 1368) in Longquan, einem Zentrum der Seladonproduktion in China. Aller Wahrscheinlichkeit nach erwarb Graf Philipp d. Ä. von Katzenelnbogen (reg. 1444–1479) die Essschale 1433/34 während einer Pilgerreise ins Heilige Land in der Mittelmeerstadt Akko. Dort endete eine der Fernhandelsrouten, über die Waren aus China über Mittelasien in den Nahen Osten gelangten. Seladone, benannt nach der reduzierend gebrannten grünlichen Eisenoxidglasur (Seladonglasur), zählten zu den gefragten chinesischen Luxusgütern. In großen Mengen wurden sie nach Indien, Südostasien und in den Mittleren Osten exportiert, und zwar auf dem Land- wie auf dem Seeweg. Die Kasseler Schale kann mit ihrem dicken, von dunkelbraunen Einschlüssen durchsetzten, relativ groben Scherben als typisches Beispiel für solche Exportporzellane gelten. Allerdings gelangte chinesisches Porzellan nur selten bis nach Westeuropa und galt deshalb als besondere Kostbarkeit.
Graf Philipp d. Ä. von Katzenelnbogen ließ die fremdländische Schale mit einem eleganten Standfuß, einem schlichten Deckel und feinen Maßwerkbändern aus vergoldetem Silber fassen, auf denen sein Wappen prangt. Dieses Wappen, ein roter Löwe auf goldenem Grund, erlaubt es, die Goldschmiedefassung in die Zeit vor 1453 zu datieren, da der Hinweis auf die 1453 erworbene Grafschaft Dietz noch fehlt. Wie der sog. Katzenelnbogische Willkomm (Kat.-Nr. 2) war auch die Seladonschale Teil des reichen Erbes, das Landgraf Heinrich III. in Oberhessen (reg. 1458–1483) 1479 von seinem Schwiegervater, Philipp d. Ä. von Katzenelnbogen, in Besitz nahm. In den hessischen Silberinventaren ist die Schale seitdem lückenlos nachweisbar, und zwar 1483 zunächst als „vergoldeter Pokal mit Deckel, genannt Erde von Indien“, 1577 dann als „Pourzelaene“ und 1594 schließlich mit dem Vermerk: „Hatt hiebevor ein Graff von Catzenelnbogen auß orient Mitt sich in diese Landte brachtt“. Seit 1515 erwähnen alle Inventare zudem das katzenelnbogische Wappen.
Die Grafschaft Katzenelnbogen, bestehend aus Gebieten rund um Darmstadt und Rheinfels am Mittelrhein, fiel durch Erbschaft 1479 an die Landgrafschaft Hessen. Das Erbe der Grafen von Katzenelnbogen war ab 1500 jedoch für viele Jahrzehnte Gegenstand eines erbitterten Rechtsstreits zwischen den Grafen von Nassau und den hessischen Landgrafen. Im Jahr 1548 schien die Niederlage der Landgrafen unabwendbar, als ein kaiserliches Urteil den Nassauer Grafen Teilgebiete von Katzenelnbogen, Schadensersatzzahlungen und die Neuverhandlungen weiterer Erbschaftsteile zugesprochen hatte. Erst 1557 endete der Streit mit einem für Hessen günstigen Vertrag. Der bedrohliche Konflikt, der seinen Tiefpunkt erreicht hatte, als der spätere Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel (1532–1592) mit fünfzehn Jahren 1547 erstmals zur Mitregentschaft herangezogen worden war, dürfte den jungen Mann politisch geprägt haben. 1584 nahm er die Seladonschale aus dem Erbe der Grafen von Katzenelnbogen in den unveräußerlichen Hausschatz (siehe Kat.-Nr. 2) auf. Die exotische Kostbarkeit war zu einem Symbol für den Besitz der Grafschaft geworden, die seit 1557 rechtskräftig und unumkehrbar zur Landgrafschaft Hessen gehörte.

(Antje Scherner in: Kat. Kassel 2016)



Literatur:
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Letzte Aktualisierung: 02.05.2023



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