Planetenuhr (sogenannte "Wilhelmsuhr")



Planetenuhr (sogenannte "Wilhelmsuhr")


Inventar Nr.: APK U 63
Bezeichnung: Planetenuhr (sogenannte "Wilhelmsuhr")
Künstler / Hersteller: Eberhard Baldewein (1525 - 1593), Konstrukteur
Datierung: 1555 - 1562
Objektgruppe: Planetenuhr
Geogr. Bezug: Marburg, Kassel, Gießen
Material / Technik: Stahl, Messing (teilweise vergoldet), Silber (teilweise vergoldet), Emaille, Kupfer, Darmsaite
Maße: mit Himmelsglobus und Gottvaterfigur 90 cm (Höhe)
37 cm (Breite)
37 cm (Länge)


Katalogtext:
Die Wilhelmsuhr ist eine von vier noch erhaltenen Planetenuhren aus dem Zeitalter der Renaissance, die sämtliche Unregelmäßigkeiten bei den Bewegungen von Sonne, Mond und Planeten in Echtzeit mechanisch nachbilden. Damit ist die Wilhelmsuhr, wie ihre Geschwisterstücke in Dresden, Wien und Paris einer der frühesten Vorläufer unserer heutigen Planetarien. Anders als bei den heutigen Planetariumsprojektoren werden die Sterne nicht projiziert, sondern sind auf der Außenseite eines Himmelsglobus eingraviert. Dieser Globus dreht sich in einem Tag Sternzeit einmal von Ost nach West um seine Achse. Die Position der Sonne am Himmel wird durch ein Sonnenscheibchen visualisiert, dass zwar an dieser täglichen Drehung des Himmelsglobus teilhat, selbst aber in einer Nut, die die scheinbare Sonnenbahn darstellt, zusätzlich noch eine Umdrehung in einem tropischen Jahr von West nach Ost vollendet. Da das Sommerhalbjahr um einige Tage kürzer ist als das Winterhalbjahr, ist diese Jahresbewegung der Sonne, die modern gesprochen einen Reflex der jährlichen Bewegung der Erde um die Sonne darstellt, im Sommer langsamer als im Winter. In der Wilhelmsuhr sorgt ein Antriebsrad mit ungleichen Zahnabständen dafür, dass dieses natürliche Phänomen perfekt nachgebildet werden kann: Im Sommer sind die Zahnabstände größer als im Winter. Die Bewegung der damals bekannten Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn werden nicht auf dem Globus, sondern auf separaten Scheiben, die auf den vier Seiten der Uhren montiert sind, dargestellt. Auch diese Bewegungen weisen in der Natur Unregelmäßigkeiten auf, die durch ungleiche Zahnteilungen der Antriebsräder produziert werden. Auch die am Himmel zu beobachtenden Schleifenbewegungen der Planeten mit zweifacher Richtungsumkehrung stellt die Uhr den damaligen geozentrischen Theorien getreu nach: Eine mit der siderischen Umlaufperiode rotierende Trägerscheibe trägt jeweils einen Epizykel mit sich herum. Auf diesem bewegt sich ein Zeiger, der das Planetensymbol trägt. Der Zeiger des Epizykel bewegt sich jeweils mit der synodischen Periode (von Schleife zu Schleife) herum. Bei Saturn dauert also die Rotation der Deferentenscheibe ca. 30 Jahre, eine Umdrehung des Zeigers ca. 379 Tage.
Die Wilhelmsuhr wurde von einem Team um den hessischen Landgrafen Wilhelm IV. (1532-1592) in den Jahren zwischen 1557 und 1562 hergestellt. Der Landgraf selbst wirkte maßgeblich an der technischen Planung mit. Der ausgebildete Schneider Eberhard Baldewein realisierte dieses Meisterwerk in Zusammenarbeit mit dem Uhrmacher Hans Bucher und einigen Hofschreinern. Die künstlerisch hochwertigen Gravuren und die bekrönende Salvator-Figur schuf der Giessener Goldschmied Hans Diepel. Eine ähnliche, größere Planetenuhr, die heute im Dresdener Zwinger ausgestellt ist, wurde ebenfalls in Baldeweins Werkstatt in Marburg unter der Ägide des Landgrafen Wilhelm zwischen 1563 und 1568 für den Kurfürsten August von Sachsen hergestellt.



Literatur:
  • Gaulke, Karsten [Bearb.]: Der Ptolemäus von Kassel. Landgraf Wilhelm IV. von Hessen-Kassel und die Astronomie. Kassel 2007, S. 132-136, Abbildung S. 137-141.


Letzte Aktualisierung: 26.11.2024



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