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Brennlinse, Objektiv des Brennlinsen-Apparates von Tschirnhaus



Brennlinse, Objektiv des Brennlinsen-Apparates von Tschirnhaus


Inventar Nr.: APK F 159
Bezeichnung: Brennlinse, Objektiv des Brennlinsen-Apparates von Tschirnhaus
Künstler / Hersteller: Ehrenfried Walther von Tschirnhaus (1651 - 1708)
Datierung: um 1694
Objektgruppe: optisches Gerät
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Glas, Metall: Eisen, Silber, Textil: Samt, Holz, Beschichtung,
Maße: Linse 810 mm Lichte Weite (Durchmesser)
Linse unter 86 cm da Verschraubungsdurchmesser 86 cm (Durchmesser)
Linse 5,3 cm +/- 0,5 mm (Dicke)
Linse 4340 mm überliefert (Brennweite)
Gesamt: 1770 mm Linse mit Fassung mit Sockel (Höhe)
Gesamt 1300 mm incl. Griffe (Breite)
Rahmen 1070 mm (Durchmesser)
Rahmen ca. 70 mm (Dicke)
Schleifradius 3691,55 mm (Länge)


Katalogtext:
„In der Mitte lag auf einem besondern Tische in einem mit schwarz Leder überzogenen Futeral wohl das fürnehmste Stück von allen: Nemlich ein sehr grosses Brennglas, dergleichen Herr von Tschirnhausen nur zwey, eines für den König in Frankreich, das andere hieher [Kassel, Anm.], jedes für zweytausend Reichs=Thaler verfertiget hat.“ (Zacharias Conrad von Uffenbach, 1709)

Der enorme Preis dieses Brennlinsen-Apparats wie auch die Tatsache, dass nur der französische König ebenfalls einen solchen besaß, dürften Uffenbach bei seinem Besuch des Kunsthauses in Kassel tief beeindruckt haben. Die große Brennlinse ist in seiner Reisebeschreibung das prominenteste Objekt des Optischen Zimmers. Ein weiterer Ausweis als fürstliches Objekt dürfte auch der schwarze Samt und die Zierbleche gewesen sein, mit dem die Rahmen beider Linsen verziert waren und bis heute sind. Samt und Bleche wurden allerdings erst später hinzugefügt, wohl um den Brennapparat in seiner Bedeutung hervorzuheben. Zu APK F 159 gehört die "Kollektiv" genannte kleinere Linse APK F 160, die das von der große Linse schon stark fokussierte Sonnenlicht noch einmal stärker bündelte, um den Brennfleck zu verkleinern und damit die Hitze zu vergrößern. Die beiden Linsen waren ursprünglich mit drei heute fehlenden Verbindungsstreben in einem bestimmten Abstand konzentrisch miteinander verbunden. Die Bohrungen in den Holzrahmen ließen sich 2022 unter dem Samt nachweisen. Daher kann die spätere Hinzufügung von Samt und Zierblechen als gesichert angesehen werden, weil die Verbindungsstreben im überlieferten Zustand weder am Objektiv noch am Kollektiv montiert werden konnten. Der Holzsockel auf dem die große Linse steht, sowie die zylinderförmige Montierung unterhalb des halkreisförmigen Trägers wurden ebenfalls später hinzugefügt.

Ehrenfried Walther von Tschirnhaus war im ausgehenden 17. Jahrhundert einer der bekanntesten Hersteller von Brennlinsen und -spiegeln. Ihm gelang es, Linsen von zuvor ungeahnter Größe herzustellen. Allein das Schmelzen des Glases, das ständige Umrühren, um Verunreinigungen zu verhindern, und die anschließende dreiwöchige kontrollierte Abkühlung des Glasblocks erforderten Umsicht. Danach holte Tschirnhaus den Block in seine eigene Glashütte, wo er zu einer Linse geschliffen wurde. Die Fertigung eines solch großen Exemplars dürfte sich über Monate hinweg gezogen haben. Dafür konnten mit diesem Doppellinsensystem sogar Asbest geschmolzen werden, dessen schmelzpunkt je nach Verbindung sehr schwankt. Die Schmelztemperatur von Chrysotil-Asbest liegt bei 1520 °C und von Krokydolith-Asbest bei 1190 °C, Verbindungen können sogar erst bei 1800°C schmelzen. In einer Zeit, in der man solch hohe Temperaturen nicht mit Thermometern messen konnte, war dies ein Ausweis besonders hoher Güte.

Der Brennapparat von Tschirnhaus, der heute zum Bestand des Astronomisch-Physikalischen Kabinetts gehört, war in einen wissenschaftlichen Streit zwischen Nicolas Hartsoeker (1656–1725) und Wilhelm Homberg (1652–1715) involviert. Dabei reiste Hartsoeker nach Kassel, um Hombergs Behauptung zu überprüfen, mit Hilfe von Brennlinsen Gold in Glas schmelzen zu können. Hier stellte er fest, dass dies nicht möglich sei, sondern Homberg seine Beobachtungen falsch interpretiert hatte.

(B. Schirmeier, 2018 + Friedrich Trier, 2022)



Literatur:
  • Bungarten, Gisela (Hrsg.): Groß gedacht! Groß gemacht? Landgraf Carl in Hessen und Europa. Ausstellungskatalog. Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel. Petersberg 2018, S. 568, Kat.Nr. X.202.


Letzte Aktualisierung: 26.10.2023



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