Selbstbildnis des Künstlers



Selbstbildnis des Künstlers


Inventar Nr.: GK 960
Bezeichnung: Selbstbildnis des Künstlers
Künstler / Hersteller: Philip van Dijk (1683 - 1753), Maler/in
Dargestellt: Philip van Dijk (1683 - 1753), Dargestellt
Datierung: um 1728
Objektgruppe: Gemälde
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Leinwand
Maße: 29,5 x 24 cm (Bildmaß)
Provenienz:erworben 1960 von der Kunsthandlung Peter Flory, Wiesbaden.


Katalogtext:
Selbstbildnisse boten Künstlern die Gelegenheit, traditionelle Porträtmuster zu variieren. Vielfach dienten sie als Experimentierfeld ihrer Malerei, wie etwa die Selbstbildnisse Rembrandts belegen, in denen der Künstler sowohl in der Pose wie in der Malweise vorhandene Vorbilder variierte bzw. neue Wege beschritt. Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts tauchen Bildnisse auf, die in ovaler Rahmung den Dargestellten in knappem Ausschnitt zeigen und meist auf Attribute der künstlerischen Tätigkeit verzichten. Die Rahmung war dabei zunächst ornamental gestaltet, wie etwa in der Sammlung von Künstlerviten Giorgio Vasaris. Diese aus dem Herrscherbildnis übernommene Würdeformel sollte der Memoria der meist bereits verstorbenen Künstler dienen. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts erhielt die ovale gemalte Rahmung zunehmend plastischen Charakter und suggerierte im Sinne des Trompe-l’Œil einen tatsächlichen Rahmen aus Stein oder Holz.

Auf dieser Tradition baut Philipp van Dijks Selbstporträt auf, das den elegant gekleideten Künstler in einer ovalen steinernen Rahmung mit plastisch modellierten Ecken zeigt. Seine Linke hat van Dijk an die Brust geführt, eine Geste, die im Kontext des Künstlerbildnisses seit Anthonis van Dycks Porträtserie Iconographie aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts populär wurde. Diese ebenfalls aus dem Fürstenbildnis übernommene Geste ist als visueller Beitrag zum gestiegenen Selbstbewusstsein der Künstler zu verstehen. Dahinter verbirgt sich der unmissverständliche Anspruch, gleich den adeligen Kunstliebhabern mit dem aristokratischen Bildungsideal des Virtuoso ausgestattet zu sein. Diesem Ideal entsprechend weisen in van Dijks Selbstbildnis keinerlei Attribute auf seine Tätigkeit als Künstler. Vielleicht aus diesem Grund hielt man das Gemälde für ein Porträt von Gottfried Wilhelm Leibniz, geschaffen von einem unbekannten Künstler. Aufgrund des Vergleichs mit van Dijks Porträt von Landgraf Carl und seiner Familie, das 1725 entstand, auf dem sich der Künstler selbstbewusst im Kreise der landgräflichen Familie zeigt, wurde es überzeugend als Selbstbildnis des Künstlers erkannt und dürfte um 1728 entstanden sein.

Im Zusammenspiel von fiktiver steinerner Rahmung, dem ovalen Ausschnitt als Brustbild, dem Verzicht auf jegliches Attribut und der zur Brust geführten Hand des Virtuoso soll die noble Gesinnung (Nobilità) des Dargestellten untermauert werden. Mit dem im 16. Jahrhundert in der italienischen Kunstliteratur entwickelten Konzept des Virtuoso setzt sich der Künstler somit unmissverständlich von der Sphäre des Handwerkers ab. Der Trompe-l’Œil-Effekt ist daher nicht nur ein Spiel mit den Sehgewohnheiten des Betrachters, sondern als Ausdruck der virtuosen Beherrschung der Malerei integraler Bestandteil des Bildkonzepts. Erst diese Virtuosität, gepaart mit einer edlen Gesinnung, versetzt den Künstler in die Lage, sich als der Elite der fürstlichen Kunstliebhaber zugehörig zu verstehen.
(J. Lange, 2015)



Literatur:
  • Vogel, Hans: Neuerwerbungen der Kasseler Gemäldegalerie 1950-1960. Marburg 1961, S. 25.
  • Bott, Gerhard; Gronau, Georg; Herzog, Erich; Weiler, Clemens: Meisterwerke hessischer Museen. Die Gemäldegalerien in Darmstadt, Kassel und Wiesbaden. Hanau 1967, S. 151.
  • Herzog, Erich: Die Gemäldegalerie der Staatlichen Kunstsammlungen Kassel. Geschichte der Galerie von Georg Gronau und Erich Herzog. Hanau 1969, S. 63.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 113.
  • Lange, Justus; Carrasco, Julia: Kunst und Illusion. Das Spiel mit dem Betrachter. Petersberg 2016, S. 110, Kat.Nr. 35.


Letzte Aktualisierung: 07.09.2023



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