Das Martyrium des Hl. Mauritius



Das Martyrium des Hl. Mauritius


Inventar Nr.: GK 1159
Bezeichnung: Das Martyrium des Hl. Mauritius
Künstler / Hersteller: Jan Boeckhorst (1604 - 1668), Maler/in
Datierung: 1661
Objektgruppe: Gemälde
Geogr. Bezug:
Material / Technik: Öl
Maße: 54,5 x 41 cm (Bildmaß)
72 x 58,5 x 7,5 cm (Objektmaß)
Provenienz:erworben 1990 als Geschenk von Prof. Dr. Erich Herzog, Kassel


Katalogtext:
Mauritius, ein zum Christentum konvertierter Soldat, gehört zu den frühchristlichen Märtyrern. Über seinen gewaltsamen Tod berichten verschiedene Legenden, darunter die Legenda aurea des Jacobus de Voragine. Demnach war Mauritius Hauptmann der ausschließlich aus Christen bestehenden Thebäischen Legion. Als Maximian, der Mitkaiser Diokletians, die Legion nach Gallien verlegen lässt, verlangt er von der Truppe, dass sie den römischen Göttern huldige. Die Legion flüchtet daraufhin nach Agaunum (dem heutigen Saint-Maurice im Wallis/Schweiz), wo sie jedoch von den kaiserlichen Truppen gestellt wird. Wer daraufhin nicht den Göttern huldigt, wird enthauptet.

Das Gemälde des aus Münster stammenden Jan Boeckhorst stellt den dramatischen Höhepunkt dar, als sich Mauritius standhaft weigert, die römischen Götter zu ehren. Auf einem durch Stufen erhöhten Altarraum kniet der mit nur einem Lendenschurz bekleidete Heilige, den Blick nach oben gerichtet. Während links neben ihm zwei Priester ihn zur Huldigung an die hinter ihm stehende Götterstatue bewegen wollen, ist rechts neben ihm ein Scherge bereits dabei, sein Schwert aus der Scheide zu ziehen. Am rechten Bildrand sieht man zwei römische Anführer zu Pferd, welche die Exekution beaufsichtigen. Im Vordergrund liegen bereits Körper einiger Enthaupteter, während von oben zwei Putti mit Palmzweig und Märtyrerkrone herabschweben. Die Szene präsentiert auf anschauliche Weise Mauritius als standhaften Christen, der seinen Glauben über sein eigenes Leben stellt. Darstellungen von Martyrien als Exemplum der Glaubensfestigkeit dienten im Kontext der Ausstattung von Sakralbauten insbesondere als Altarbilder.

Das Kasseler Gemälde wird in der Forschung einhellig als modello für ein 1661 datiertes Altarbild von Boeckhorst für die Kirche Sainte-Maurice in Lille angesehen, das sich heute im Musée des Beaux-Arts in Lille befindet und im 18. Jahrhundert an den Seiten leicht beschnitten wurde (Leinwand, 413 x 276 cm, Inv. P. 160). Wenngleich die generelle Komposition des Altarbildes mit dem modello übereinstimmt, gibt es doch einige signifikante Änderungen. So wurde die kniende Figur des Heiligen verändert, indem er nun mit dem linken Bein kniet und das rechte aufgestellt hat. Auch ist er insgesamt etwas nach vorne gebeugt und nur sein Haupt nach oben gerichtet. Die Figurenbildung erinnert dadurch in ihrer Körperhaltung an den Torso Belvedere. Ebenfalls wurde die Figur des Schergen gedreht, so dass er dem Heiligen nahezu den Rücken zuwendet und erst durch eine starke Körperdrehung über die Schulter zu ihm blicken kann. Eine Enthauptung ist aus dieser Position nicht durchzuführen.

Das Ergebnis ist eine stärkere Fokussierung auf den auch durch die Beleuchtung hervorgehobenen athletischen Körper des Mauritius‘. Ob diese Änderungen auf Wunsch des Auftraggebers oder durch den Künstler selbst vorgenommen wurden, ist nicht belegt. Eine weitere, erst kürzlich aufgetauchte Ölskizze wiederholt die zentrale Figurengruppe um Mauritius, die Priester und den Schergen (Leinwand, 34 x 26 cm, Privatsammlung). Es dürfte sich aber lediglich um eine Wiederholung der Kasseler Skizze handeln. Janssens vermutete, dass diese als Vorlage für einen geplanten Stich entstanden sein könnte.

In der Forschung wurden als Vorbilder für Boeckhorst einerseits eine um 1640 entstandene Ölskizze Antonis van Dycks mit der Darstellung des Martyriums des Hl. Georgs (Oxford, Christ Church Picture Gallery, Holz, 44,6 x 36,3 cm, Inv. JBS 247) als auch um 1650 zu datierende Zeichnungen von Jacques Jordaens für ein Martyrium des Hl. Quirinus herangezogen (Frankfurt a. Main, Städel-Museum und Turin, Palazzo Reale).

Da insbesondere die Ölskizze aus Oxford große Übereinstimmungen mit dem Kasseler Gemälde besitzt, äußerte Janssens die Vermutung, dass hinter dem Altarprojekt in Lille noch ein Entwurf von Rubens gestanden haben könnte, jedoch sein Tod 1640 und der van Dycks ein Jahr später das Projekt zunächst zum Erliegen brachte. Bemerkenswerterweise wird 1643 im Vertrag mit Artus Quellin für den Hochaltar in Lille ein entsprechender Entwurf Rubens’ erwähnt. Während die skulpturalen Arbeiten dann von Artus Quellin und Géry Boniface im Zeitraum 1643-45 ausgeführt wurden, erfolgte die Ausführung des Gemäldes erst 1661. Boeckhorst, der seit etwa 1626 in Antwerpen weilte und engen Kontakt zur Rubens-Werkstatt unterhielt, wurde von Rubens’ Witwe Hélène Fourment beauftragt, die unvollendeten Werke ihres verstorbenen Mannes zu vollenden. Auf diese Weise könnte er Zugang zu dem Projekt erhalten haben.

Unabhängig von der Frage, ob Rubens direkt hinter dem Entwurf für den Altar steht oder nicht, stellt Boeckhorsts Gemälde ein eindrückliches Beispiel für die ungebrochene Wirkung von Rubens’ Arbeiten auch noch in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts dar.
(J. Lange, 2020)



Literatur:
  • Lahrkamp, Helmut; Langemeyer, Gerhard: Johann Bockhorst 1604-1668. In: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 60 (1982), S. 1-200, S. 89, Kat.Nr. 46a.
  • Schulze, Ulrich: Das "Martyrium des Hl. Mauritius". Zum Verhältnis von Altarbild und Ölskizze bei Jan Boeckhorst. In: Westfalen. Hefte für Geschichte, Kunst und Volkskunde 68 (1990), S. 141-151, S. 141-151.
  • Jan Boeckhorst 1604-1668. Maler der Rubenszeit. Ausstellungen Rubenshaus Antwerpen 7.7.1990. Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Münster 16.9.1990 - 11.11.1990. Antwerpen/Münster 1990, S. 20, 64, 124-125, 190, Kat.Nr. 25.
  • Schnackenburg, Bernhard: Gemäldegalerie Alte Meister Gesamtkatalog. Staatliche Museen Kassel. 2 Bde. Mainz 1996, S. 63.
  • Galen, Maria: Johann Boeckhorst. Gemälde und Zeichnungen. Hamburg 2012, S. 332, Kat.Nr. Z 61.
  • Janssens, Arnout: Le maître-autel disparu de l'église Saint-Maurice de Lille (1643-1645), une oeuvre inédite du sculpteur Artus Quellin I dit le Vieux, d'après un modèle de Pierre-Paul Rubens, in: Revue du Nord, No. 419, Bd. 99, 2017, S.93-150. 2017, S. 121-123.
  • Peter Paul Rubens und der Barock im Norden. Ausstellungskat. Erzbischöfliches Diözesanmuseum Paderborn. Petersberg 2020, S. 400, Kat.Nr. 76.


Letzte Aktualisierung: 07.09.2023



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