Fräulein von Göschen, Skizze



Fräulein von Göschen, Skizze


Inventar Nr.: 1875/1257
Bezeichnung: Fräulein von Göschen, Skizze
Künstler / Hersteller: Johann Friedrich August Tischbein (1750 - 1812), Maler/in
Dargestellt: Charlotte Göschen (1812 - 1824), Dargestellt, Vermutet
Datierung: um 1800/1806
Objektgruppe: Gemälde
Geogr. Bezug: Leipzig
Material / Technik: Leinwand, auf Karton aufgezogen
Maße: 39 x 24 cm (Bildmaß)
Provenienz:erworben 1926 von dem Kunsthändler Dr. Rolph Grosse, Berlin
Beschriftungen: u.l. (von fremder Hand, vermutlich von Wilken): Scizze zu einem Portr. eines Fräulein v. Goeschen
Handschrift: verso Johann Friedrich August Tischbein geb. 9. März 1750 zu Mastricht gest. 21 Juni 1812 zu Heidelberg Skizze zu einem Bildnis der Fräulein von Köschen


Katalogtext:
Die ganzfigurige Darstellung einer jungen Frau, die in einem langen, weißen Chemisenkleid in sinnlich träumerischer Pose auf einer Veranda vor einer Parklandschaft steht, orientiert sich an der englischen Porträtmalerei. Thomas Gainsborough (1727-1830) hat diesen Bildnistypus, der die Porträtierte – zumeist in sentimentaler, zwangloser Pose – in eine stimmungsvolle Landschaft einbindet, als Gegenposition zur akademischen Porträtauffassung seines Antipoden Joshua Reynolds entwickelt. Dieser Typus taucht auch in vielen Bildnissen von George Romney (1734-1802) auf, etwa im Porträt der »Mrs. Henry Maxwell« von 1780 (Privatbesitz). Die Landschaften – zumeist Parklandschaften – sind selten topographisch bestimmbar. Sie dienen vielmehr als Stimmungsträger.
Tischbein hat in mehreren ganzfigurigen Frauenbildnissen dieser Jahre, so auch in dem 1801 entstandenen Porträt der Gräfin Fries (Hamburger Kunsthalle, Inv. Nr. 604), das Motiv der kulissenhaften Stimmungslandschaft und die Darstellung eines Vordergrundraumes – hier einer Veranda – verwendet. Dieser von den Engländern übernommene Kunstgriff dient dazu, die Aufmerksamkeit des Betrachters auf einen möglichst kleinen bühnenartigen Raum zu konzentrieren. Vergleichbar mit Tischbeins Skizze sind die etwa zur selben Zeit entstandenen Ölskizzen von Marguerite Gérard (1789-1842), die im Schloss Versailles aufbewahrt werden.
Zur Identifizierung der Porträtierten findet sich am unteren Bildrand der Vermerk »Scizze zu einem Portr. eines Fräulein v. Goeschen«, der wahrscheinlich von Tischbeins Enkel Friedrich Wilken stammt. Ob es sich um eine Tochter des Leipziger Verlegers und Buchhändlers Georg Joachim Göschen (1752-1828) handelt, ist ungeklärt. Nach 1800 fertigte Tischbein mehrere Ölskizzen mit ähnlichen Motiven an, die er aber offenbar nicht als Gemälde umgesetzt hat. Man wird annehmen dürfen, dass die Skizze in diesen Jahren, vor Tischbeins zweijährigem Aufenthalt in St. Petersburg (1806-1808), entstanden ist.
(S. Heraeus, 2003)



Literatur:
  • Luthmer, Kurt: Die hessische Malerfamilie Tischbein. Verzeichnis ihrer Mitglieder und einer Auswahl ihrer Werke. Kassel 1934, S. 33, Kat.Nr. 195.
  • Vom Rokoko zur Romantik. Kassel 1946, Kat.Nr. 38.
  • Franke, Martin: Johann Friedrich August Tischbein. Leben und Werk. Egelsbach u. a. 1993, Kat.Nr. 120 (Bd. 2).
  • Constans, Clair: Musée National du Château de Versailles: Les Peintures. Paris 1995, Kat.Nr. 2092, 2095, 2102, 2113 (Bd. 1).
  • Böttiger, Karl August: Literarische Zustände und Zeitgenossen. Berlin 1998, S. 303-312.
  • Cross, David A.: A Striking Likeness. The Life of George Romney. Vermont 2000, S. 90.
  • Heraeus, Stefanie [Bearb.]; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel. Kassel [u.a.] 2003, S. 215-216, Kat.Nr. 187.


Letzte Aktualisierung: 03.02.2023



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