Grabstein des Quintus Favonius Varus



Grabstein des Quintus Favonius Varus


Inventar Nr.: Sk 66
Bezeichnung: Grabstein des Quintus Favonius Varus
Künstler / Hersteller: unbekannt
Quintus Favonius Varus (nach 20 - vor 130 n. Chr.), Auftraggeber
Quintus Favonius Varus (nach 50 - vor 110 v. Chr.), Widmungsempfänger
Terentia (nach 20 - vor 130 n. Chr.), Auftraggeber
Datierung: Ende 1. - Anfang 2. Jh. n. Chr.
Objektgruppe: Skulptur
Geogr. Bezüge:
Römisches Reich
Fundort: Zwischen Frankfurt am Main-Praunheim und Heddernheim
Material / Technik: Gelblich-rötlicher Sandstein
Maße: ohne Ergänzungen 114 cm (Höhe)
213 x 72 x 33 cm (Objektmaß)
Provenienz:1777 durch Legationsrat Schmidt v. Rossau nach Kassel gelangt


Katalogtext:
Das Fragment besteht aus dem oberen Teil einer Grabstele mit profilgerahmtem Inschriftenfeld und Giebelbekrönung. Zwei kleine Rosetten verzieren das Giebelfeld, zwei größere die Ecken beidseits des Giebels. Vor dem 2. Weltkrieg waren sieben Zeilen der Inschrift vollständig und eine achte teilweise erhalten, aufgrund derer die Zeilen 8 und 9 ergänzt wurden.

DIS · MAN(ibus) | Q(uinto) · FAVONIO | VARO · FIL(io) | Q(uintus) FAVONI | VS VARVS | COH(ortis) XXXII | VOL(untariorum) · PATER | [ET TERENTI] | [A MATER F(aciendum) C(uraverunt)]

Die Inschrift weist zahlreiche Ligaturen auf. In Zeile 1 ist das A mit seiner Querhaste zwischen die Mittelhasten des M gesetzt. Die Buchstaben AV bzw. VA in Zeile 2–5 sind durch Ligatur verbunden, ebenso E und R in Zeile 7 mit E in retro. In Zeile 2 und 4 steht das I verkleinert über der rechten Außenhaste des N.

Der Inschrift zufolge haben der Vater Quintus Favonius Varus, Angehöriger der Cohors XXXII Voluntariorum Civium Romanorum (32. Freiwilligenkohorte Römischer Bürger) und die Mutter Terentia ihrem Sohn, der den gleichen Namen wie sein Vater trug, den Grabstein mit einer Widmung an die Totengötter (Dii Manes) setzen lassen. Der Typus der profilgerahmten Inschriftenstele ist unter den militärischen Grabsteinen in Obergermanien weit verbreitet.

Zwischen Praunheim und Heddernheim konnten die westlichen Gräberfelder des römischen Vicus Nida entlang der Straße nach Mainz lokalisiert werden (Meier-Arendt 1983, 5. 19; Huld-Zetsche 1989). Nida entwickelte sich aus einer Serie von Militärkastellen, die meist nur kurzzeitig belegt waren. Sie wurden in flavischer Zeit im Zusammenhang mit den Feldzügen der Kaiser Vespasian und Domitian errichtet. Der Platz spielte eine wichtige strategische Rolle für die römische Eroberung der Wetterau. Das Lagerdorf bildete sich westlich des Alenkastells, das als längerfristiges Standquartier diente.

Die Stele des Favonius Varus ist zusammen mit zwei weiteren Grabsteinen aus dem Gräberfeld von Praunheim ein wichtiger Beleg dafür, dass in Nida neben der Reitereinheit Ala I Flavia Gemina und der 4. Kohorte der Vindeliker (Cohors IV Vindelicorum) auch die 32. Freiwilligenkohorte stationiert war (Bieber 1915, Huld-Zetsche 1989). Sie rekrutierte sich aus römischen Bürgern. Die Garnisonstruppen wurden zwischen 103 und 111 n. Chr. aus Nida abgezogen und an den Limes verlegt (Huld-Zetsche 1989). Bis zur Eroberung des Gebietes durch die Alemannen 259/260 n. Chr. diente Nida als ziviler Hauptort der Civitas Taunensium.

Aus den Eckdaten der Truppenstationierung ergibt sich für den Grabstein des Favonius Varus ein Aufstellungsdatum im letzten Viertel des 1. Jhs. n. Chr., spätestens zu Beginn des 2. Jhs. n. Chr. Wie die meisten geborgenen Bildwerke aus Nida besteht er aus dem lokalen gelb-rötlichen ›Vilbeler‹ Sandstein (Fischer (1971; Meier-Arendt 1983, 10).

Die Zahl der erhaltenen Grabsteine aus Nida ist gering, da die oberirdisch aufgestellten Denkmäler in nachantiker Zeit häufig verschleppt und als Baumaterial verwendet wurden. Vieles ging auch durch unkontrollierte Grabungen und Baumaßnahmen im 19. und 20. Jh. verloren (Meier-Arendt 1983, 5 ff.; Huld-Zetsche 1989). Der untere Teil der Grabstele des Favonius Varus wurde anhand vergleichbarer Grabsteine ergänzt. Zu ihnen zählt vor allem der eines weiteren Soldaten der 32. Freiwilligenkohorte aus dem Gräberfeld von Praunheim, der im Archäologischen Museum Frankfurt aufbewahrt wird (Meier-Arendt 1983, Nr. 66).

(Zimmermann-Elseify 2007)



Literatur:
  • Bieber, Margarete: Die antiken Skulpturen und Bronzen des Königlichen Museum Fridericianum in Cassel. Marburg 1915, Kat.Nr. 102.
  • Gercke, Peter; Zimmermann-Elseify, Nina: Antike Skulpturen und Neuzeitliche Nachbildungen in Kassel. Bestandskatalog. Mainz 2007, S. 363.364, Kat.Nr. 121.


Letzte Aktualisierung: 17.10.2022



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