Kelchkrater mit Amazonomachie

Katalogtext:
Das hohe, kelchförmige Mischgefäß mit abgesetztem Rand und wulstförmiger Lippe geht unten in einen niedrigen, ausbauchenden Teil über, an welchem die steil emporgewölbten Horizontalhenkel ansetzen, und steht auf einem hohen Polsteruß mit tiefer Rille am oberen Rand; ein plastischer Grat vermittelt zwischen Fuß und Körper. Ein Kreuzplatten-Schlüsselmäander mit tongrundigem Rand auf dem bauchigen Teil zwischen den Henkelansätzen bildet die Standleiste für die Figuren auf der großflächigen Kelchwandung; ein schräger Palmetten-Voluten-Fries mit tongrundigem Reifen auf dem abgesetzten Mündungsrand bildet die Randleiste oben. Auf (A) holt in der Bildmitte eine fast frontal gesehene Amazone mit einer Streitaxt beidhändig über den Kopf zum Schlag gegen einen von rechts anstürmenden Griechen aus. Sie trägt orientalische Tracht: Ärmelchiton, lange gemusterte Hose, Lederschuhe, Mantel, Kopfhaube, halbmondförmigen Schild (Pelta), Köcher und Bogen. Der schräg von hinten gesehene Grieche stößt mit der Lanze zu, vor sich den Schild mit Eber-Emblem erhoben, in kurzem Chiton, Brustpanzer mit Schulterklappen, Helm und mit Schwert. Von links reitet im Galopp ein Grieche mit stoßbereiter Lanze in der vordersten Bildebene auf die Fußkampfgruppe zu. Der Reiter in kurzem Chiton, Brustpanzer mit Schulterklappen und attischem Helm ist mit Lanze und mit Köcher und Bogen bewaffnet. Im Gegensatz zum raumgreifenden, dramatisch bewegten Kampf stehen auf der Rückseite (B) statuarisch eine Frau und ein Mann zu Seiten eines frontal gesehenen Jünglings mit Mantel, hochgeschnürten Sandalen, breitkrempigem Reisehut im Nacken, zwei Lanzen und einem Schwert. Er wendet den Kopf zur Frau mit Schale und Kanne; der ältere Mann mit Stirnglatze und Stock schaut ihnen zu.

Die Szene auf (A) könnte unmittelbar auf ein großes Wandgemälde des strengen Stils zurückgreifen; die sagenhaften Amazonomachien haben als Bildmetaphern für die ständigen Auseinandersetzungen der Griechen mit ihren fremdländischen, „barbarischen" Nachbarvölkern - besonders seit den Perserkriegen - auch zeitgeschichtliche Bewertungen oder individuelle Ausdeutungen erfahren können, welche mit einem Bildtypus wie „Kriegers Abschied von den Eltern" auf Seite (B) grundsätzlich zu verknüpfen waren.

(Yfantidis 1990)

• Yfantidis, Konstantinos: Antike Gefäße. Staatliche Kunstsammlungen Kassel. Eine Auswahl. Melsungen 1990, S. 218-219, Kat.Nr. 154.
• Lange, Justus [bearb.]; Rotter, Malena [bearb.]: Alte Meister que(e)r gelesen. Begleitband zur Ausstellung, 15.12.2023-24.03.2024, Kassel, Schloss Wilhelmshöhe. Petersberg 2023, S. 123-124.