|<<   <<<<   1 / 6   >>>>   >>|

Tisch mit Vogeldarstellungen in den Mittel- und Eckreserven sowie Blumen- und Laubgebinden auf schwarzem Grund



Tisch mit Vogeldarstellungen in den Mittel- und Eckreserven sowie Blumen- und Laubgebinden auf schwarzem Grund


Inventar Nr.: KP B X.60
Bezeichnung: Tisch mit Vogeldarstellungen in den Mittel- und Eckreserven sowie Blumen- und Laubgebinden auf schwarzem Grund
Künstler / Hersteller: Hendrik Busch (tätig 1. Viertel 18. Jahrhundert)
Datierung: 1715
Objektgruppe: Möbel
Geogr. Bezug: Leeuwarden
Material / Technik: Tischplatte: Scagliola (Stucco lustro-Mischtechnik), Unterbau: Nadelholz, Eiche, schwarz gefärbt, teilvergoldet
Maße: 78 x 108 x 77 cm (Objektmaß)
Beschriftungen: Signatur: HBusch (H und B in Ligatur) CICIC CCXV


Katalogtext:
Die prachtvolle Tischplatte lebt von einem raffinierten Spiel mit wechselnden dreidimensionalen Qualitäten der dargestellten Ornamente und Blumen. Fünf Bildfelder mit Darstellungen von exotischen Vögeln vor unterschiedlichen Gartenlandschaften werden durch rötliche Rahmen eingefasst, die untereinander durch Bandelwerk und symmetrische Akanthusornamente verbunden sind. In ihrer rötlichen Farbgebung und mit den angegedeuteten Gravuren erinnern diese Ornamente an Metalleinlagen, wie sie von höfischen Möbeln der Zeit um 1700, etwa aus der Boulle-Werkstatt, geläufig sind. Über diese auf den ersten Blick regelmäßige Gliederung streut Busch ein lockeres Arrangement aus realistisch wiedergegebenben Blüten und Blumengebinden, die auf der Tischplatte zu liegen scheinen. Allerdings durchbricht der Künstler diese Illusion an mehreren Stellen und verunklärt die räumliche Beziehung von Blüten und Blattwerk zu den imitierten Metallornamenten. Die Blumengebinde werfen teils Schlagschatten auf die rötlichen Ornamente, scheinen also auf ihnen zu liegen. Teils sind sie mittels Bändern aber an den Ornamenten befestigt und charakterisieren diese somit gleichfalls als dreidimensionale Körper, die wie die Blüten vor einem undefinierten schwarzen Hintergrund zu schweben scheinen. Busch nutzt die Alltagskenntnise seiner Zeitgenossen durch die illusionistische Anspielung auf bekanntes höfisches Mobiliar, unterläuft diese Illusion aber mit einer unerwarteten räumlichen Schichtung der Elemente seines Dekors.
Zu diesem Spiel mit der tiefenräumlichen Ilusion kommt die für Scagliola bzw. Stucco lustro typische Imitation einer Pietra-dura Tischplatte in farbigem bzw. bemaltem Gips. Busch fordert das Auge des Betrachters somit in mehrfacher Hinsicht heraus: durch die perfekte Imitation von Blüten und Blattwerk, durch deren raffinierte räumliche Verknüpfung mit flächigen Dekorelementen und durch die Imitation einer Tischplatte aus Steinmosaik in Gips. So kann die Tischplatte geradezu als Paradebeispiel für das barocke Spiel mit dem Betrachter gelten, dessen Sehgewohnheiten (und rezipierende Trägheit) subtil ausgehebelt werden und dessen Beobachtungsgabe umso mehr belohnt wird, je länger er sich auf das Kunstwerk einlässt.

Vier weitere Tischplatten von Busch sind derzeit bekannt. Neben einem 1718 datierten Exemplar im Museum Geelvinck, Amsterdam, verwahrt auch das Friesmuseum in Leeuwarden drei solcher Tische, einer von ihnen signiert und datiert 1707.

Antje Scherner



Inventare:
  • Weinberger Cornelia: Inventarium von denen in dem königl. hfrstl. kunsthaus befindlichen schildereien, rissen, zeichnungen, kupferstichen und sonstigen sachen, welche in dem summarischen inventario de a° 1744 [...] nicht enthalten. Kassel 1747, S. 139.
Literatur:
  • Neumann, Erwin: Materialien zur Geschichte der Scagliola. In: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen Wien 55 (1959), S. 76-158, S. 146.
  • Horbas, Claudia: Marmorstuck und Scagliola. Von kunstvollen Werkstoffen und ihren Rezepturen. In: Weltkunst 67 (1997), S. 691 - 698, S. 697.
  • Schmidberger, Ekkehard; Richter, Thomas; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: SchatzKunst 800-1800. Kunsthandwerk und Plastik der Staatlichen Museen Kassel im Hessischen Landesmuseum. Wolfratshausen 2001, S. 312, Kat.Nr. 140.
  • Lange, Justus; Carrasco, Julia: Kunst und Illusion. Das Spiel mit dem Betrachter. Petersberg 2016, S. 152, Kat.Nr. 52.
  • Bungarten, Gisela (Hrsg.): Groß gedacht! Groß gemacht? Landgraf Carl in Hessen und Europa. Ausstellungskatalog. Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel. Petersberg 2018, S. 338, Kat.Nr. VII.64.


Letzte Aktualisierung: 25.04.2022



© Hessen Kassel Heritage 2024
Datenschutzhinweis | Impressum