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Kleopatra



Kleopatra


Inventar Nr.: KP B VI/I.18
Bezeichnung: Kleopatra
Künstler / Hersteller: Jacob Dobbermann (1682 - 1745)
Datierung: um 1725
Objektgruppe: Skulptur / Plastik, Vollplastik
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Bernstein, geschnitzt; Elfenbein, geschnitzt
Maße: Figur: 16,3 cm (Höhe)
Sockel: 10,2 cm (Höhe)
26,6 x 6,3 x 6,1 cm (Objektmaß)


Katalogtext:
Jacob Dobbermann zählt zu den Hofkünstlern Landgraf Carls von Hessen-Kassel, über deren wirtschaftliches Auskommen aus historischen Quellen relativ viel bekannt ist. 1716 als „Bernstein- und Helffenbein arbeiter“ am landgräflichen Hof bestallt, arbeitete der in Danzig geborene und zeitweise in London tätige Künstler bis zu seinem Lebensende in Kassel. Obgleich sein genaues Aufgabengebiet aus den Quellen nicht hervorgeht, dürften neben der Fertigung eigener Kunstwerke auch die Pflege und Reparatur der landgräflichen Elfenbein- oder Bernsteinsammlung zu seinen Pflichten gezählt haben. Für diese Leistungen erhielt Dobbermann ein Jahresgehalt von 200 Reichstalern, das sich gemessen an den Gehältern seiner Kollegen Johann Homagius (Edelsteinschneider, 110 Taler), Magnus de Quitter (Hofmaler, 161 Taler), Johann Albrecht Lavilette (Edelsteinschneider, 240 Taler) oder Elias Gottlob Hausmann (Miniaturmaler, 350 Taler) etwa im Mittelfeld bewegte. Für Kunstwerke, die er für den Landgrafen schuf, erhielt Dobbermann darüber hinaus Extrazahlungen, so etwa 25 Taler im Jahr 1728 für ein beschnitztes Straußenei.
Trotz seiner festen Bestallung war Dobbermann keineswegs verpflichtet, exklusiv für den Landgrafen zu arbeiten. Vielmehr bot er seine Werke auch dem Kaiserhof in Wien sowie anderen Fürsten zum Kauf an. Aufgrund überhöhter Preisvorstellungen fand er allerdings schwer Abnehmer für seine Kunst, wie Johann Friedrich Armand von Uffenbach 1728 festhielt. Uffenbach, der Dobbermann in seiner Werkstatt besucht hatte, gibt auch Einblicke in die Lebensumstände des Künstlers. Offenbar konnte sich Dobbermann ein Atelier von mehreren Zimmern und eine eigene kleine Kunstsammlung leisten. In einem Nebengemach verwahrte er neben eigenen Arbeiten aus Bernstein, Elfenbein und Straußenei – sie standen in einem Lackkabinettschrank – auch Werke anderer Künstler, darunter Kupferstiche aus Paris, aber auch Miniaturen und Gemälde guter Qualität, deren Schöpfer leider nicht überliefert sind. Dobbermann scheint es in Kassel demnach zu moderatem Wohlstand gebracht zu haben.
Für Landgraf Carl schuf der Hofkünstler zahlreiche Werke, von denen sich rund 40 in der Kasseler Sammlung erhalten haben. Die Statuette „Zeit entführt Wahrheit“ sowie deren Gegenstück „Kleopatra“ stammen aus dem persönlichen Besitz des Landgrafen und zählten zu den Kunstwerken, die Carl im „Neuen Kabinett“ seines Appartements und somit im wichtigsten Sammlungsraum des Kasseler Landgrafenschlosses aufbewahrte.
Das Werk „Die Zeit entführt die Wahrheit“ (siehe Inv. Nr. KP B VI/I.19) zeigt einen geflügelten alten Mann, der eine junge Frau umfasst, die wehrlos beide Arme emporhebt. Die Gruppe wurde als „Boreas und Oreithyia“, als „Saturn und Kybele“ und als „Entführung der Wahrheit durch die Zeit“ gedeutet, wobei für letztere der Elfenbeinsockel mit Darstellung der vier Jahreszeiten – eine Anspielung auf den Lauf der Zeit – herangezogen wurde. Dobbermann verarbeitete hier die sogenannten Frauenraub-Gruppen, wie sie seit dem späten 16. Jahrhundert in der italienischen Großplastik geschaffen worden waren. Konkret folgte er der von Thomas Regnaudin für den Schlosspark von Versailles geschaffenen Gruppe „Le Temps et lʼOccasion“, und zwar in einer Version, die Simon Thomassin in dem Stichwerk „Recueil Des Statues, Groupes, Fontaines, Termes, Vases et autres magnifiques Ornements du Chateau & Parc de Versailles“ bereits 1694 veröffentlicht hatte. Möglicherweise befand sich die Stichvorlage in Dobbermanns persönlichem Besitz, denn auch die Statuette der „Kleopatra“ folgt einer Großplastik im Garten von Versailles.
Antje Scherner (10/2016)



Literatur:
  • Lenz, A.: Führer durch den Unterstock der neuen Bildergalerie zu Kassel von A. Lenz, Königlichem Museums=Inspector, S. 33.
  • Scherer, Christian: Studien zur Elfenbeinplastik der Barockzeit. Straßburg 1897, S. 128.
  • Thieme, U. [Hrsg.]; Becker, F. [Hrsg.]; Vollmer, H. [Hrsg.]: Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Leipzig 1907-1950, S. 349 (Bd. 9, 1913).
  • Pelka, Otto: Bernstein. 1920, S. 54.
  • Rohde, Alfred: Bernstein,ein deutscher Werkstoff, Seine künstlerische Verarbeitung vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert. Berlin 1937, S. 58-59, Kat.Nr. 237.
  • Theuerkauff, Christian: Unrecognized Ivory Carvings by Jacob Dobbermann. In: Burlington Magazine (1966), S. 72-78, S. 77, Anm. 49.
  • Link, Eva-Maria: Die Landgräfliche Kunstkammer Kassel. In: Jahresgabe der Hessischen Brandversicherungsanstalt für 1975 (1974), S.
  • Rasmussen, Jörg [Bearb.]: Barockplastik in Norddeutschland [Die Ausstellung wird anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Museums für Kunst und Gewerbe am 15. September 1977 eröffnet. Ausstellungsdauer: 16. September - 6. November 1977]. Mainz 1977, S. 206, 507-508, Kat.Nr. 197.
  • Reineking von Bock, Gisela: Bernstein. Das Gold der Ostsee. München 1981, S. 39, 129, Kat.Nr. 198.
  • Allgemeines Künstlerlexikon. Die Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker. Leipzig/München 1983ff, S. 1228 (Bd. 27).
  • Claudia Nickel: Der Bernstein- und Elfenbeinschnitzer Jacob Dobbermann (1682-1745). Hausarbeit zur Erlangung des Magistergrades [...] der Universität Göttingen. Göttingen 1985, S. 27, 30, 34, 38, 41, 44-45, 55-57, Kat.Nr. 2.
  • Schmidberger, Ekkehard; Richter, Thomas; Eissenhauer, Michael [Hrsg.]: SchatzKunst 800-1800. Kunsthandwerk und Plastik der Staatlichen Museen Kassel im Hessischen Landesmuseum. Wolfratshausen 2001, S. 320, Kat.Nr. 144.
  • Hinrichs, Kerstin: Bernstein, das "Preußische Gold" in Kunst- und Naturalienkammern und Museen des 16.-20. Jahrhunderts (Humboldt.-Universität Berlin, Phil. Diss.). [Berlin] 2007, S. 97, 217.
  • Scherner, Antje [Bearb.]; Cossalter-Dallmann Stefanie [Bearb.]: Aus der Schatzkammer der Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Petersberg 2016, S. 130, Kat.Nr. 56.
  • Bungarten, Gisela (Hrsg.): Groß gedacht! Groß gemacht? Landgraf Carl in Hessen und Europa. Ausstellungskatalog. Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel. Petersberg 2018, S. 322-323, Kat.Nr. VII.39.
  • Kugel, Alexis; Kulka, Rahul: Ambre. Trésors de la mer baltique du XVIe au XVIIIe siècle. Paris 2023, S. 69, Kat.Nr. 100.


Letzte Aktualisierung: 31.10.2023



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