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Doppelseitiges Medaillon mit dem Porträt Landgraf Carls von Hessen-Kassel und allegorischer Darstellung



Doppelseitiges Medaillon mit dem Porträt Landgraf Carls von Hessen-Kassel und allegorischer Darstellung


Inventar Nr.: KP B VI/II.82
Bezeichnung: Doppelseitiges Medaillon mit dem Porträt Landgraf Carls von Hessen-Kassel und allegorischer Darstellung
Künstler / Hersteller: Jean Cavalier (1650 - 1699)
Dargestellt: Carl Landgraf von Hessen-Kassel (1654 - 1730), Dargestellt
Datierung: 1688
Objektgruppe: Skulptur / Plastik, Relief
Geogr. Bezug: Kassel
Material / Technik: Elfenbein, gedrechselt, geschnitzt, geschabt und poliert
Maße: 58,4 mm (Höhe)
59,5 mm (Breite)
Medaillondicke am Rand 4 mm (Dicke)
Maximale Medaillondicke 6,5 mm (Dicke)
Versalienhöhe Buchstabe I 3,5 mm (Höhe)
17,4 g (Gewicht)
Beschriftungen: Signatur: I · CAVALIER
1688
CAROLVS · LANDG · HAS · PRINCEPS · H
CANDIDE ET CONSTANTER


Katalogtext:
Das signierte und datierte Medaillon darf als Schlüsselwerk Cavaliers gelten. Mit seiner doppelseitigen Ausarbeiten, auf dem Avers das Porträt des Landgrafen Carl, auf dem Revers seine persönliche Imprese, steht es der Medaillenkunst nahe und scheint eine Ausbildung und Tätigkeit des Künstlers in diesem Metier - wie sie in Quellen mehrfach bezeugt ist - auch künstlerisch zu bezeugen.
Die Vorderseite schmückt dass Bildnis des damals 34-jährigen Landgrafen. Im Unterschied zu allen Medaillenbildnissen und auch zum übrigen Oeuvre Cavalier ist der Fürst nicht im Profil dargestellt, sondern wendet den Blick über seine rechte Schulter zurück, so dass ein verlorenes Profil entsteht. Der Landgraf trägt einen Harnisch, über den ein Manteltuchgelegt ist, das auf der Schulter von einer perlenumsäumten Schließe gerafft wird. Um den Hals trägt der Landgraf ein Spitzenhalstuch, schräg über die Brust das Ordensband des dänischen Elefantenordens, desse Kleinod unterhalb des Mantels zum Vorschein kommt. Carl ist mit langem, lockigem Echthaar wiedergegeben, das zu beiden Seiten des Kopfes auf Schulter und Rücken fällt. Die Künstlersignatur I . CAVALIER ist unter dem Armabschitt zu sehen.
Die Abwendung vom reinen Profil hin zu einer Dreiviertel oder Frontalansicht ist in der Medaillenkunst des mittleren 17. Jahrhunderts durchaus zu finden, etwa bei Medaillen Sebastian Dadlers (vgl. Maué 2008). Im bekannten Oeuvre Cavaliers ist dies jedoch die einzige Arbeit, die diese Abweichung aufweist. Dennoch beherrscht der Cavalier die komplexere Räumlichkeit der Porträtdarstellung makellos, Tiefenräumlichkeit von Büste und Kopf, die räumliche Beziehung beider zueinander und die Wiedergabe der Kopfwendung sind fehlerfrei ins Bild gesetzt.
Die Rückseite zeigt in feiner Schnitzarbeit einen auf einem Podest stehenden Schwan, dessen Hals eine Krone ziert. Auf der Front des Postaments ist das Spiegelmonogramm des Landgrafen, CC unter einer Fürstenkrone, an seiner Flanke der hessische Löwe zu sehen. In die Fliesen des Bodens ist die Jahreszahl 1688 geschnitzt. Zusammen mit der Umschrift "CANDIDE ET CONSTANTER" (rein und beständig) gibt die Darstellung die persönliche Imprese des Landgrafen wieder, wie sie erstmals 1681 auf einer Medaille nachweisbar ist (Scheffer 2018 im Katalogtext zu KP MK 462/2 in: www.datenbank.museum-kassel.de). In nahezu identischer Form wurde sie in den Folgejahren von verschiedenen Stempelschneidern in Medaillen umgesetzt, so 1686 von Johannes van Forneberg (Münzmeister), 1691 von einem CL signierenden Meister (Caspar Longerich?, der Schwan nach links gerichtet), und 1699 und 1701 von Gabriel Le Clerc d.J. bzw. d.Ä. (vgl. Schütz 1998, Nrn. 1267, 1295, 1296, 1314, 1358, 1369, 1511-1514). Cavalier bewegte sich hier am nächsten an der Kunst Medailleure und schuf eine auch in ihrer Größe den Silbermedaillen vergleichbare Medaille in Elfenbein.
Cavaliers Inschriften erlauben es, das ungewöhnliche Werk sicher ins Jahr 1688 zu datieren. In jenem Jahr enstanden drei Medaillons in Kassel sowie ## in Braunschweig. Allerdings datierte Cavalier auch ein Medaillon mit der Darstellung des Samuel Pepys 1688, das eine neue Stilphase einläutet und den Werken der Jahre um 1689/90 vorausgreift. Es bleibt daher zu vermuten, dass die Kasseler und Braunschweiger Arbeiten eher in der ersten Hälfte, vor der Rückkehr Cavaliers nach London entstanden sind, zumal Landgraf Carl ab Juli 1688 öfter auf Reisen und ab Herbst 1688 schießlich im Kriegseinsatz gegen Frankreich war. Jener Konflikt um das Pfälzische Erbe und die Gebiete am Rhein deutete sich im Verlauf des Jahres eben so an wie die Landung Wilhelms von Oranien in England. Es ist möglich, dass Cavalier Festlandeuropa auch wegen der sich zuspitzenden politischen Situation im Laufe des Jahres verließ und nach England zurückkehrte.
(15.01.2021, Antje Scherner)



Literatur:
  • Dreier, Franz-Adrian: Unbekannte Elfenbeinarbeiten von Leonhard Kern und zwei Reliefs aus der Drehbank des Landgrafen Carl von Hessen. In: Pantheon 22 (1964), S. 96-106, S. 105.
  • Schütz, Artur: Die hessischen Münzen des Hauses Brabant, Teil IV 1670-1866. Anhang: Königreich Westfalen 1807-1813. Frankfurt am Main 1998.
  • Bungarten, Gisela (Hrsg.): Groß gedacht! Groß gemacht? Landgraf Carl in Hessen und Europa. Ausstellungskatalog. Kassel, Museumslandschaft Hessen Kassel. Petersberg 2018, S. 303-304, Kat.Nr. VI.20.


Letzte Aktualisierung: 04.10.2021



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