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Ein Bildhauer fertigt die Statue Zar Peters I. als Kaiser von Russland



Ein Bildhauer fertigt die Statue Zar Peters I. als Kaiser von Russland


Inventar Nr.: KP B VI/II.16
Bezeichnung: Ein Bildhauer fertigt die Statue Zar Peters I. als Kaiser von Russland
Künstler / Hersteller: Peter I. Zar von Russland (1672 - 1725)
Datierung: 1719
Objektgruppe: Skulptur / Plastik, Relief
Geogr. Bezug: Russland, Hessen-Kassel
Material / Technik: Elfenbein, gedreht, geschnitzt; Beschriftung in Graphit, nachgezogen in Eisengallustinte
Maße: 1 cm (Dicke)
12,2 cm (Durchmesser)
Beschriftungen: Dieses Bild von dem Moscowiter Szaar Peter Alexowitz hat derselbe selbst gedrexelt und mier C.L.Z.H. durch seinen Obersten von der Artileri Henning zustellen lassen
ADIUVANTE


Katalogtext:
Das Elfenbeinmedaillon zählt als diplomatisches Geschenk zu den bedeutendsten politischen Kunstwerken der Kasseler Sammlung. Dargestellt ist ein Bildhauer, der eine Herrscherstatue mit Krone, Szepter und Reichsapfel aus einem Felsblock meißelt. Die kinnlange Lockenpracht und der angedeutete Schnurrbart legen nahe, in der Statue ein Standbild Zar Peters I. von Russland zu sehen. Oberhalb der Figur erscheint im Strahlenkranz das Symbol Gottes mit der hebräischen Inschrift „JEHOVA“, darüber auf einem Schriftband „ADIUVANTE“, was sich in Zusammenschau mit dem Gottessymbol als „mit Gottes Hilfe“ übersetzen lässt. Im Hintergrund ist die offene See mit mehreren Schiffen zu erkennen. Die Rückseite des Medaillons trägt eine bemerkenswerte Beschriftung: „Dieses bild von dem mosco/witer czaar Peter Alexowitz / hat derselbe selbst gedrexelt / und mier CLZH [Carl Landgraf zu Hessen] durch seinen Obersten / an der Artileri Henning zustellen lassen“.
Dank dieser Inschrift ist es möglich, die diplomatische Mission, in deren Rahmen das Kunstwerk nach Kassel gelangte, in den Akten des Hessischen Staatsarchivs Marburg nachzuvollziehen. Im April 1719 reiste der in russischen Diensten stehende Oberst Georg Wilhelm von Henning im Auftrag Peters des Großen nach Kassel, um eine nicht näher bekannte Botschaft zu überbringen. Der Zar unterstrich sein Anliegen mit kostbaren Geschenken, die der Landgraf in einem Entwurf für sein Dankschreiben als „curiosa“ würdigte, die ihm „höchst angenehm gewesen [seien] so mehr als eines davon mit eigener deroselben handen […] künstlich verfertigt worden“. Carl versprach „selbiges als ein rares andenken in unserem Cabinet [zu] bewahren.“ (HStAM, Best. 4f Russland Nr. 8; 16.11.1719).
Das von Zar Peter eigenhändig an der Drehbank hergestellte Relief zeigt eine außerordentlich interessante Szene. Es handelt sich um die Abwandlung seines persönlichen Siegels, das erstmals 1714 dokumentiert ist und dessen Entstehung in den Jahren 1711/12 vermutet wird. Während der Zar sich auf dem Siegel als Schöpfer des „neuen Russland“ inszeniert, indem er dieses in Gestalt einer bekrönten Frau mit eigenen Händen aus einem Felsen schlägt, sind beim Kasseler Elfenbeinmedaillon die Rollen verändert. Nun meißelt ein Bildhauer die Statue des Zaren aus dem Steinblock. Diese Szene, in der sich Peter als künftiger Kaiser seines Großreichs inszeniert, lässt sich ein weiteres Mal auf einer Drechselkartusche in der Eremitage von St. Petersburg nachweisen. Sie zeigt das Kasseler Motiv nun allerdings ergänzt um zwei Allegorien, darunter der „Sieg“ mit Lorbeerkranz, womit sie nach dem Ende des Großen Nordischen Kriegs (1700–1721) und somit nach dem Kasseler Medaillon entstanden sein dürfte.
Das kostbare Geschenk von Zarenhand lässt sich bislang nicht sicher deuten. Vermutlich stand es ebenfalls in Zusammenhang mit dem Großen Nordischen Krieg, der nur wenige Monate vor der Entsendung des Obristen Henning eine wichtige Wendung genommen hatte. Hessen-Kassel fiel darin eine nicht unwesentliche Rolle zu, denn mit dem Tod König Karls XII. von Schweden im Winter 1718 hatte die Schwiegertochter Landgraf Carls, Ulrike Eleonore von Schweden, den Thron bestiegen und die schwedische Außenpolitik neu ausgerichtet. Es ist daher denkbar, dass Peter der Große den familiären Einfluss des Landgrafen auf seinen Kriegsgegner Schweden nutzen wollte, um eigene Ziele durchzusetzen.
Wenngleich die wertvolle Gabe keine erkennbare Auswirkung auf den Fortgang des Konfliktes hatte, so bedankte sich Landgraf Carl beim Zaren Monate später mit einem „schöne[n] Pocal von Glas“ als Gegengeschenk. Er wählte damit ein Prestigeprodukt heimischer Manufakturen, das die Leistungsfähigkeit seiner Landgrafschaft unterstrich.
Antje Scherner (10/2016)



Literatur:
  • Scherner, Antje [Bearb.]; Cossalter-Dallmann Stefanie [Bearb.]: Aus der Schatzkammer der Geschichte. Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Petersberg 2016, S. 128, Kat.Nr. 55.
  • Hein, Jørgen: Ivories and Narwahal Tusks at Rosenborg Castle. Catalogue of Carved and Turned Ivories and Narwahal Tusks in the Royal Danish Collection 1600-1875. Kopenhagen 2018, S. Bd. 2, 109-110.


Letzte Aktualisierung: 26.05.2023



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