Kern, Leonhard


1588 - 1662

Name: Kern, Leonhard
Lebensdaten: 1588 - 1662


Leonhard Kern (1588-1662)
„…daß er unter die berühmtiste teutsche Künstlere gerechnet werde.“

Leonhard Kern gilt als einer der bedeutendsten deutschen Bildhauer des 17. Jahrhunderts. Schon von seinen Zeitgenossen bewundert, waren vor allem seine Elfenbeinarbeiten gesuchte Preziosen für die fürstlichen Kunstsammlungen und fanden Eingang in die wichtigsten Kunst- und Wunderkammern seiner Zeit. Denn vor allem nach seiner Werkstattgründung im Jahr 1620 in der Freien Reichsstadt Hall (heute Schwäbisch-Hall) bediente Leonhard Kern mit seinen kleinformatigen Plastiken aus Elfenbein, Alabaster und Holz vor allem die adelige und fürstliche Klientel.
Der bis ins hohe Alter tätige Leonhard Kern hinterließ schließlich bei seinem Tod im Jahr 1662 ein beachtliches Oeuvre. Mehr als 140 Werke werden ihm zugerechnet, gearbeitet aus Elfenbein, Buchbaum- und Birnbaumholz, Alabaster und Kalkstein, aber auch Bronzen gehören dazu. Noch 13 Jahre nach seinem Tod schreibt der Kunstschriftsteller Joachim von Sandrart (1606-1688) in seiner Teuschen Academie der Bau-, Bild- und Mahlerey-Künste von 1675: „Er hat sehr viele Bilder-Arbeit in Stein und Holz / theils Lebens-groß / theils kleiner/ verfärtiget wie fast durch ganz Teutschland / sonderlich auch zu Nürnberg / da er die 4. Monarchien auf selbiger Stadt weitberühmten Rahthauses Portal in Stein gehauen/ welche allein verdienen/ daß er unter die berühmtiste teutsche Künstlere gerechnet werde.“

War und ist man sich auch darüber einig, dass Leonhard Kern zu den außergewöhnlichsten Künstlerpersönlichkeiten seiner Zeit zählte, so ist trotz der großen Zahl der erhaltenen Arbeiten die Frage der Zuschreibung und der Datierung eine schwierige geblieben. Denn ungeachtet seines Erfolges signierte Leonhard Kern seine Werke nur in Ausnahmefällen. Bekannt sind lediglich 16 monogrammierte Arbeiten, von denen jedoch drei heute als verschollen gelten. Neben den mit LK monogrammierten Arbeiten lassen sich allein 15 weitere Werke durch Archivalien und Sammlungsinventare als eigenhändige Arbeiten des Künstlers sicher nachweisen und datieren. Diese 28 Arbeiten bilden die Orientierungspunkte, anhand derer die verbleibenden Werke zu- oder abgeschrieben, datiert, sowie chronologisch und stilistisch eingeordnet werden. Dabei haben sich allein drei dieser so wichtigen Arbeiten in der Sammlung Kunsthandwerk und Skulpturen von Hessen Kassel Heritage erhalten. Das erste Werk ist eine mit LK monogrammierte Kalksteinskulptur der „Venus und Amor“, entstanden um 1650. Die beiden nicht bezeichneten Elfenbeinarbeiten „Mars, Venus und Amor“ von 1657, sowie eine „Kauernde Fortuna“, vermutlich von 1640-45, können jedoch anhand einer handschriftlichen Kopie des Kunstkammerinventars des Straßburger Sammlers Elias Brackenhoffer aus dem Jahr 1672 eindeutig identifiziert werden.
Neben diesen drei eigenhändigen Arbeiten Leonhard Kerns haben sich noch weitere sieben Werke von Leonhard Kern selbst und von dessen Umkreis – darunter Werke seines Neffen Johann Georg Kern sowie seiner früheren Mitarbeiter Johann Jakob Betzoldt und Georg Pfründt – in Kassel erhalten.

Um die für die deutsche Bildhauerei so außergewöhnlichen Charakteristika im Werk Leonhard Kerns zu erkennen und zu verstehen, ist vor allem seine mehrjährige Reise durch Italien von wesentlicher Bedeutung. Nach Abschluss seiner Bildhauerlehre in der brüderlichen Bildhauerwerkstatt in Würzburg brach Leonhard Kern 1606 zu seiner Italienreise auf und sollte erst 1614, nach einem längeren Aufenthalt in Ljubljana, wieder in die Heimat zurückkehren. Über die Stationen dieser Reise berichtet ein Nekrolog ausführlich, gehört sie doch zu den bemerkenswertesten Ereignissen im Leben des Künstlers, vor allem, wenn man sich bewusst macht, dass sich eine solche Wanderschaft noch in keinster Weise für Künstler im deutschsprachigen Raum etabliert hatte. Sein Weg führte ihn nach Venedig, Rom, Neapel und von dort aus sogar bis an die nordafrikanische Küste des heutigen Algeriens, bis er im Jahr 1613 über Ljubljana die Rückreise nach Deutschland antrat. Laut Joachim von Sandrart hatte sich Leonhard Kern am längsten in Rom aufgehalten und dort sogar an der Akademie Unterricht in Bildhauerei, Anatomie und Architektur erhalten. Weitere Belege gibt es dafür nicht, doch finden die italienischen Erfahrungen nach seiner Rückkehr deutlichen Niederschlag in seinen Werken: die Einflüsse des italienischen Manierismus in der Gestalt seiner Figuren, die ungewöhnlichen Bildfindungen als Reflexion der neuzeitlichen Ikonographie oder die der spannungsvollen Bewegtheit seiner in Rundumansicht gestalteten Figurengruppen. Diesen Charakteristika gilt es im Folgenden an den einzelnen Werken der Kasseler Sammlung zu überprüfen und die Zuschreibungen gegebenenfalls kritisch zu hinterfragen.

Stefanie Cossalter-Dallmann
(Stand 7.12.2020, 23.10.2023)


Letzte Aktualisierung: 23.10.2023



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